„Diese Erreger sind in ihrem Verhalten, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihrer Lage in bisher viel zu wenig gewürdigten Schlupfwinkeln schon bei der Behandlung einer einfachen gangränösen Pulpa viel zu sehr unterschätzt. Nicht einige Einlagen für einige Tage vermögen sie in jenen zu vernichten, wie sie bisher ausgeführt wurden. Das vermag nur eine möglichst lange für Wochen und Monate anhaltende Wirkung von genügend starken Kampfmitteln auf die Mikroorganismen zu erzielen!“

a) Stammt es von von dem international anerkannten Endodontologen David Figdor, der in 2002 in einem Editorial als Erster einräumte, das die Behandlung der apikalen Ostitis in den letzten 50 bis 100 Jahren keinen Fortschritt mehr gemacht hat, weil Ätiologie und Pathogenes als bakterieller Infektionskrankheit von den Endodontologen nicht verstanden wurden, und die Unabdingbarkeit der sorgfältige Desinfektion in der Folge völlig unterschätzt wurde?

b) Stammt es von den international anerkannten Endodontologen Haapasalo, der 1987 in einer Studie feststellte, dass camphorated chlorophenol den endodontischen Problemkeim Faecalis bis sehr tief in die Dentin-Tubuli hinein sehr schnell abtötete, während Ca(OH)2 nicht einmal oberflächlich desinfizierte, und der in einer Standortbestimmung der Endodontie in 2005 einräumen musste, dass weder die modernen, hochtechnisierten Aufbereitungs- und Abfüllmethoden, noch die Steigerung der Konzentration von NaOCl als Spüllösung auf bis zu 5,5% (heute 6%) eine messbare Verbesserung der Erfolgsquoten in der Endodontie herbeigeführt haben?

c) Stammt es von dem international anerkannten Endodontologen Nair, der 2005, der in einer wegweisenden klinischen Studie nachwies, dass im Hohlraumsytem apikal beherdeter Zähne, die nach dem international als sogenannter „Goldstandard“ anerkannten Endodontie-Protokoll behandelt worden waren, in 90 bis 100% der Fälle überlebende Bakterien nachweisbar bleiben?

d) Stammt es von dem international anerkannten Endodontologen Gesi, in der in 2006 eindeutig vitale Zähne ohne röntgenologische Beherdung nach dem international als so genannter „Goldstandard“ anerkannten Protokoll behandelte, von denen 7% bereits innerhalb von 1 bis 3 Jahren eine apikale Ostititis entwickeln, und zwar unabhängig davon, ob sie nun in erster Sitzung abgefüllt werden oder eine Zwischeneinlage mit Ca(OH)2 erhalten haben, worauf er den genau so messerscharfen wie falschen Schluss zog, man könne bei klinisch eindeutiger VitE in einer einzigen Sitzung definitiv abfüllen, obwohl schon Walkhoff ein Jahrhundert zuvor wusste, dass die partielle Gangrän von der akuten Pulpitis nicht klinisch, sondern lediglich histologisch abgrenzbar ist?

e) Stammt es von dem international anerkannten Endodontologen Estrella, der in 2007 in einer in vitro-Studie festgestellt hat, dass keines der in der Endodontie als mehr oder weniger lege artis anerkannten Desinfektionsmittel gegen Faecalis etwas ausrichten kann?

f) Stammt es von dem international anerkannten Endodontologen Wu, der sich in 2007 in einer Standortbestimmung der als modern auftretenden Endodontie mit dem Versagen der Infektionskrontrolle und dem auseinandersetzte, was Endodontologen nach ihrer Behandlung nach dem so genannten „Goldstandard“ im Wurzelkanalsystem zurücklassen? Er kommt zu dem Schluss, dass in den meisten Studien nur die Hauptkanäle auf das Behandlungsprotokoll überlebende Bakterien untersucht werden, dass aber der Periapex, die Nebenkanäle und die Tubuli von 50 bis 90% der wurzelbehandelten Zähne bakteriell besiedelt sind, wenn man Blockresektionen durchführt und sie histologisch nachuntersucht. Er fordert in der Folge, dass man endlich effektive Desinfektionsprotokolle entwickeln muss, um den am Periapex und in den mechanisch unzugänglichen Bereichen des Hohlraumsystems überlebenden Bakterien vor dem definitiven Verschluss den Garaus zu machen, weil in therapieresistenten Fällen ansonsten nur die chirurgische Intervention zum zweifelhaften Langzeit-Erfolg führen kann.

g) Stammt es von der Herausgeberin des Journals „Endodontoc Practice“, Nicola Kramer, die mit Bezug auf genau diesen Aufsatz von Wu et al. in 2006 das Scheitern des als modern auftretenden Endodontie-Protokolls einräumt und aus medizinischer Sicht ausgesprochen merkwürdige Vorschläge zur Lösung dieses offensichtlichen, nicht länger zu verdrängenden Problems macht?

h) Oder stammt dieses Zitat möglicherweise von dem international anerkannten Endodontologen Spängberg, der dieses Scheitern in seinem Editorial in 2007 in einem sehr renommierten zahnärztlichen Journal bekräftigt und sich darüber beklagt, dass er möglicherweise 8 Jahre (eigentlich sind es ja über 30 Jahre) umsonst geforscht hat? In diesem Editorial greift er in seiner Verzweiflung nach einem Strohhalm und bezweifelt, dass Faecalis im Kochschen Sinne überhaupt für den endodontischen Infekt verantwortlich ist. Die Ironie des Schicksal will es, dass eben dieser Spängberg in 1973, also mehr als 30 Jahr zuvor, an gleicher Stelle einen Artikel veröffentlich hatte, in dem er camphorated parachlorophenol als zu toxisch für die Anwendung am Menschen bezeichnete, das, wie sich erst viel später herausstellte, das einzige zugelassene Desinfektionsmittel in der Endodontie ist, das mit Faecalis problemlos fertig wird. Durch wissenschaftliche Ungenauigkeit führte dieser Aufsatz dann unglücklicherweise dazu, dass Parachlorophenol für die Anwendung in der Endodontie als obsolet eingestuft wurde. Ganz offensichtlich hatte Spängberg (Vorsicht beim Anklicken des folgenden Links, es handelt sich um eine sehr, sehr große Datei!!) Otto Walkhoff nicht im Original gelesen. Ansonsten wäre Spängberg bereits 1973 und Byström spätestens 1985 zweifellos aufgefallen, dass die von beiden untersuchte ungesättigte Lösung bereits ca. 50 resp. 60 Jahre zuvor von Walkhoff selbst als untauglich verworfen worden war, und dieser in der Folge seine vollständig mit Kampfer gesättigte ChKM-Lösung entwickelt hatte, die diese von den beiden Forschern beschrieben, unerwünschten Eigenschaften nicht aufwies.

Ehe wir Ihnen die überraschende Lösung verrate, schnell noch ein Fall, der belegt, dass es sich bei persistierenden apikalen Aufhellungen wirklich um einen chronischen bakteriellen Infekt handelt. Wie sonst könnte eine solche, seit vielen Jahren bestehende apikale Ostitis durch die indikationsgerechte, genau so sorgfältige wie geduldige Desinfektion ausheilen? Dieser Fall stammt vom Kollegen Landenberger aus 65812 Bad Soden.

Hier also noch einmal das Zitat:

„Diese Erreger sind in ihrem Verhalten, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihrer Lage in bisher viel zu wenig gewürdigten Schlupfwinkeln schon bei der Behandlung einer einfachen gangränösen Pulpa viel zu sehr unterschätzt. Nicht einige Einlagen für einige Tage vermögen sie in jenen zu vernichten, wie sie bisher ausgeführt wurden. Das vermag nur eine möglichst lange für Wochen und Monate anhaltende Wirkung von genügend starken Kampfmitteln auf die Mikroorganismen zu erzielen!“

Es wird Sie jetzt wahrscheinlich kaum mehr überraschen, wenn wir Ihnen sagen, dass dieses Zitat von Otto Walkhoff aus dem Jahre 1929 stammt. Er setzte sich bei dieser Gelegenheit in einem Artikel der „Zahnärztlichen Rundschau“ mit seinen Widersachern auseinander, denen es damals genau wie heute ausgesprochen schwer fiel, seine einfachen Argumente und die einleuchtenden Ergebnisse seiner umfangreichen Studien nachzuvollziehen und zu verstehen. Mit dieser Aussage hat Walkhoff also bereits 1929 genau das beschrieben, was Nair in seiner richtungweisenden klinischen Studie knapp 80 Jahre später zum zweiten Male wissenschaftlich nachgewiesen hat. Darüber hinaus, und das unterscheidet die Genialität von Walkhoff ganz erheblich von der seiner zahllosen Nachfolgern, hat Walkhoff allein durch Versuche und klinische Studien auch das Desinfektionsmittel erfunden, das mit Faecalis, den er damals noch gar nicht nachweisen konnte, ausgesprochen gut fertig wird. Kaum auszudenken also, wo die Zahnerhaltung heute stehen könnte, wenn Spängberg nicht so nachlässig gewesen wäre und Otto Walkhoff im Original gelesen hätte.

Damit ist die als modern auftretende Endodontie, zumindest was die Diagnose, die Ätiologie und die Pathogenese betrifft, immerhin jetzt endlich dort angelangt, wo Walkhoff schon 1929 war. Was allerdings die indikationsgerechte Therapie betrifft, so ist sie von Walkhoff noch meilenweit entfernt. Sie ist vielmehr immer noch und zunehmend verzweifelt auf der Suche nach einem Desinfektionsmittel, die die Endodontologen endlich in die Lage versetzt, diese einfache bakterielle Infektionskrankheit in diesem seit 100 Jahren anatomisch vollständig beschriebenen Umfeld, das nachgerade ideale Voraussetzung für die Anwendung von, wie es Walkhoff in der Sprache seiner Zeit ausdrückte, „genügend starken Kampfmitteln“ bietet, auszuheilen. Das wird sich auch solange nicht ändern, wie die Wissenschaft Spüllösungen dogmatisiert, die es per Definition und Kontraindikation verbieten, den angewandten nur schwach antiseptisch wirkenden, gegen Faecalis völlig unwirksamen Desinfektionsmitteln einen guten Zugang zum Periapex und zum Granulom zu verschaffen.

Uns bleibt im Angesicht dieser Entwicklung, die man auch sehr gut als Posse oder Schildbürgerstreich bezeichnen könnte, wenn es nicht weltweit für nicht mehr zu zählende Patienten vermeidbares Leid und den Verlust vieler ihrer Zähne bedeuten würde, nichts anderes als festzustellen, dass man -bis auf ganz wenige Ausnahmen- die gesamte endodontische Literatur seit 1928, die wöchentlich anschwillt und mittlerweile ganze Bibliotheken füllt, leider in der Rundablage entsorgen kann.