„Successful endodontics is about infection control: eliminating and excluding microorganisms from the pulp space. This is universal truth for the generalist and hi-tech specialist alike“

(Whitworth, J.: Endodontics without compromise : a view from a provincial dental school. Future Meetings of The Langham Endodontic Study Group Sat 14 Jan 2006)

Endodontisches Denken und Handeln wird nach wie vor durch zwei Leitsätze bestimmt:

  1. Es ist nicht wesentlich, was in den Wurzelkanal eingefüllt wird, entscheidend ist, was durch mechanische Reinigung aus ihm entfernt wird (Lehrsatz, den jeder Zahnarzt auswendig kann, wer weiß, auf wen er zurückgeht?)
  2. Die Grundprinzipien der Endodontie bestehen in Asepsis, chemischer Aufbereitung, mechanischer Aufbereitung und Obturation (Prof. Walkhoff ca.1910)

Leider hat die erste These die wesentliche Bedeutung erlangt. Sie wird jedoch erst dadurch vollständig, dass die zweite penibel erfüllt wird. Die nach wie vor dominierende technische Ausrichtung in der Zahnheilkunde zielt auf eine immer aufwendigere mechanische Aufbereitung der Haupt- und Nebenkanäle und die technisch immer raffiniertere Obturation, vergisst aber dabei, die essentielle Forderung nach sorgfältiger Desinfektion zu erfüllen.

In einer Studie aus 2004 weisen beispielsweise Gagliani et al in einer Langzeituntersuchung nach, dass die Anwendung rotierender Nitifeilen bei der Aufbereitung in Verbindung mit Obturation mit erwärmter Guttapercha (Termafil) gegenüber herkömmlichen Techniken keinerlei Vorteil für die erzielte Erfolgsquote hat: nach 24 Monaten betrug diese bei nicht beherdeten Zähnen nur 94,9% und bei beherdeten Zähnen gar nur 48,2%, wenn als Kriterium die röntgenologisch vollständige apikale Ausheilung herangezogen wurde. In einer weiteren Studie aus 2004 untersuchen Rocas und Siqueira den Inhalt von Wurzelkanälen von 14 wurzelgefüllten Zähnen mit persistierender apikaler Ostitis mit molekularbiologischen Methoden. In allen Fällen wurden unterschiedliche Populationen von persistierenden Keimen nachgewiesen. In 10 der 14 Fälle konnte die Anwesenheit E.Faecalis nachgewiesen werden.

Die infizierten Hohlräume eines Zahnes bestehen nämlich nicht nur aus Kanälen. Die Dentin-Tubuli bilden volumenmäßig ein zumindest gleichgroßes Hohlraumsystem, das dieser mechanischen Reinigung unzugänglich ist. Und dann sind da noch die zahllosen Verzweigungen, die Nebenkanälchen und das apikale Delta. Es besteht also für Problemkeime trotz aller Bemühungen um Perfektion in der mechanischen Aufbereitung und Obturation reichlich Gelegenheit, sich dort zu verstecken und zu vermehren.

Bevor Sie weiter lesen, würden wir Ihnen einen Besuch unserer wirklich interessanten und keineswegs langweiligen Seite „Historisches“ sehr dringlich ans Herz legen. Sie werden dann sehr viel besser verstehen, warum unser Schreibstil gelegentlich unbeabsichtigt den gebotenen wissenschaftlichen Ton vermissen lässt und ungewollt ins Ironische abgleitet.

Inzwischen haben diese Gedanken immerhin Editorial-Niveau im australischen Journal „ORAL SURGERY ORAL MEDICINE ORAL PATHOLOGY“ erreicht (28). David Figdor, University of Melbourne, setzt sich dort mit der apikalen Ostitis auseinander und kommt zu dem Schluss, dass die Endodontie in den letzten 100 Jahren nur sehr bescheidene Fortschritte bei der Lösung dieses Problems gemacht hat, weil sie es unterschätzt, vernachlässigt und die Genese den Pathomechanismus der Erkrankung nicht verstanden hat. Er führt diese Vernachlässigung darauf zurück, dass die Erfolgsrate von bis zu 87 % in Spezialisten-Praxen allgemein als hoch angesehen wird, während sie in Allgemeinpraxen nur 72% erreicht. Er rechnet vor, dass in der Folge bei einer geschätzten Zahl von 25 Mio wurzelgefüllten Zähnen in Australien (USA 420 Mio) mit Misserfolgen in der Größenordnung von 3.3 (USA 54 Mio) Wurzelbehandlungen gerechnet werden muss, wenn alle Wurzelbehandlungen von Spezialisten durchgeführt worden wären. Auf Allgemeinpraxen bezogen würde die Zahl der Misserfolge in Australien bei 7 Mio (USA 117 Mio) liegen. Rechnet man die Folgekosten dieser Misserfolge hoch, so errechnen sich ökonomische Schäden im Zig-Milliarden-Dollar-Bereich. Die Gründe für die in seinen Augen viel zu hohe Misserfolgsrate sieht er darin, dass die Endodontie im Wesentlichen auf die mechanische Reinigung und die Obturation fokussiert, dabei die sorgfältige Desinfektion vernachlässigt und daher Zähne abgefüllt werden , die nicht bakterienfrei sind. (vollständiger Original-Text als .pdf-Datei)

Die Ansicht, dass Erfolgsquoten von nicht mehr als um die 80% als zufriedenstellend angesehen werden, ist auch in Deutschland verbreitet. In einer Ausgabe der DZZ aus dem Jahre 2004 kommentiert Prof. E. Schäfer aus Münster eine evidenzbasierte Studie zum Misserfolg bei Wurzelbehandlungen von Kojima , in der die Erfolgrate bei Zähnen ohne apikale Ostitis mit 82% angegeben ist und diejenige bei Zähnen mit apikaler Ostitis mit lediglich 71,5% mit den Worten: “ Wurzelkanalbehandlungen zeigen eine durchaus beachtliche Erfolgsprognose.“

Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Endodontitis um nicht mehr als eine einfache, in der Regel auf das definierte Hohlraumsystem eines Zahnes und seine unmittelbare Umgebung beschränkte bakterielle Infektionskrankheit handelt, ist man angesichts der selbstzufriedenen professoralen Verkündung eines solch ausgesprochen schlechten Ergebnisses als potentiell Betroffener allerdings doch recht froh, dass es sich nicht um eine evidenzbasierte Studie zum Behandlungserfolg beispielsweise der Lungenentzündung handelt.

Lassen Sie uns aus ärztlicher Sicht 6 weitere Thesen hinzufügen, die Walkhoffs Grundprinzipien verdeutlichen:

3. Eine Gangrän ist nichts anderes als ein endodontischer Abszess, und kein Arzt käme auf die Idee, einen solchen nach Eröffnung und erzwungen unvollständiger mechanischer Reinigung primär zu verschließen: ubi pus, ibi evacue (Wo Eiter ist, da sorge für Abfluss)! Jeder Chirurg, der so behandeln würde, würde sehr schnell seine Approbation verlieren.

4. Die Übergänge zwischen Pulpitis und Gangrän sind fließend und differentialdiagnostisch nicht einzuordnen, weil in keinem Fall sicher auszuschließen ist, dass innerhalb bestimmter Abschnitte der Nebenkanäle oder Tubuli bereits eine Gangrän vorliegt, obwohl der Zahn klinisch lediglich als pulpitisch imponiert.

5. Eine apikale Ostitis ist nichts anderes als eine beginnende Osteomyelitis, die zurecht als gefürchtetste aller Komplikationen in der Knochenchirurgie gilt, weil sie nur sehr schwierig und ausgesprochen langwierig auszuheilen ist. Logisch nicht nachzuvollziehende Lehrmeinung ist bis heute, dass die Anwesendheit von Bakterien streng auf das Hohlraumsystem des Zahnes beschränkt ist, und apikale Aufhellung und Granulom bakterienfeindlich und in der Folge bakterienfrei sind. Warum sollen Bakterien am Ende der Kanäle und Kanälchen halt machen? Welche anatomische Struktur, wie sie etwa ein Lymphknoten darstellen würde, sollte sie daran hindern, zunächst den Peridontalspalt und anschließend den Knochen zu penetrieren? Knochen ist nebenbei bemerkt zwar reich an Blut, aber ganz im Gegensatz zu der von Zahnärzten häufig vertretenen Meinung ausgesprochen schlecht durchblutet. Das Verlässliche an Wissenschaft ist ja, dass sie in jedem Fall irgendwann auch das nachweist, was genau so logisch wie offensichtlich ist, auch wenn die Lehrmeinung das Gegenteil behauptet. In einem Grundsatzartikel aus der November-Ausgabe 2003 der Zeitschrift Endodontic Topics, weisen Leif Tronstad et al. wissenschaftlich nach, dass

a) apikale Aufhellung und Granlulom entgegen der verbreiteten Lehrmeinung sehr wohl bakteriell besiedelt sind, dass also die endodontische Infektion keineswegs auf den Wurzelkanal beschränkt ist,

b) es sich um das selbe Keimspektrum handelt, wie es auch in aktiven Parodontaltaschen nachzuweisen ist,

c) dass zumindest die Hälfte der bei der Endodontitis beteiligten Keime nicht kulturell, wohl aber molekularbiologisch nachzuweisen sind,

d) dass Biofilmbildung nicht nur auf der Wurzeloberfläche und im Wurzelkanal, sondern auch auf von den Bakterien produzierten Granula in den Granulomen nachzuweisen ist.

Sucht man bei Medline etwas genauer und klickt bei Sunde et al. , die in 2003 über den Nachweis extraradikulärer Keime bei einer Vielzahl von Zähnen mit apikaler Ostitis mit modernen Nachweisverfahren berichten, „related articles“ an, so erhält man 160 Verweise. Schaut man sich die Wesentlichen an, so erfährt man, dass die Berichte über den Nachweis extraradikulärer Keimbesiedlung bis weit in das letzte Jahrtausend zurückreichen.

Wie man vor dem Hintergrund dieser erdrückenden wissenschaftlichen Beweislage, der seit mehr als 100 Jahren bekannten Ätiologie und Pathogenese und angesichts der seit 50 Jahren unverändert (oder sogar verschlechterten) unakzeptabel schlechten Ergebnisse bei der Behandlung der Endodontitis und ihren Komplikationen immer noch die aktuelle Lehrmeinung verteidigen und aufrecht erhalten kann und über viele Jahre konnte, entzieht sich unserem Verständnis vollkommen.

So weisen beispielsweise Tang et al. 2004 molekularbiologisch die Persistenz von Keimen in 25 von 31 aufbereiteten, mit steriler Kochsalzlösung gespülten Wurzelkanälen nach einwöchiger Einlage von Ca(OH)2 oder Septomixine (Framecytinsulfat plus Hydrocortison) nach.

6. Was heilen soll muss ruhig gestellt werden, was auf den erkrankten Zahn übertragen bedeutet, dass er zur Ausheilung sorgfältig außer Kontakt geschliffen werden muss, insbesondere auch bei den Lateralbewegungen.

7. In der Folge der Persistenz von Keimen im endodontischen System nach erzwungen unvollständiger, maximal 50 %iger mechanischer Reinigung und nicht erzwungener, ungeduldiger Anwendung nicht ausreichend potenter Desinfektionsmittel kommt es zu einem biologischen Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr am Periapex, das vom Immunsystem mühsam aufrecht erhalten werden muss und das aus vielerlei Gründen zu jeder Zeit zugunsten des Angriffs verloren werden kann (Microbielle Gründe für die Exazerbation der apikalen Ostitis). Ein besonders wichtiger Grund für eine solche Exazerbation ist die Belastung durch einen zusätzlichen Infekt, wie ihn z.B eine Grippe darstellt, oder aber physischer oder emotionaler Stress, weil das Immunsystem schwächelt oder plötzlich Wichtigeres zu tun hat, als sich um die Eindämmung eines endodontischen Infektes zu kümmern.

In einer neuen Studie aus dem Jahr 2005 weisen Marending et al. nach, dass der Zustand der unspezifischen Immunantwort des jeweiligen Patienten neben der Höhe des prätherapeutischen PAI-Indexes und der Qualität der Wurzelfüllung einer der drei wesentlichen Parameter für die Voraussagbarkeit des Erfolges einer Wurzelbehandlung ist. Dabei übersehen sie, dass gerade die Persistenz einer apikalen (Rest-) Aufhellung der röntgenologische Nachweis dafür ist, dass es nicht gelungen ist, die bakterielle Entzündung des Knochens mit dem angewendeten Protokoll vollständig auszuheilen, sondern dass die durchgeführte Therapie die ursprüngliche Bakterienlast lediglich auf ein Maß reduziert hat, bei dem das beschriebene Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr durch die individuelle Immunantwort aufrechterhalten und eine Exazerbation verhindert werden kann. Wenn man weiß, dass die apikale Ostitis Keime enthält, und diese nicht durch sorgfältige, geduldige Desinfektion beseitigt, ist man natürlich auf ein gut funktionierendes Immunsystem angewiesen, wenn man vollständige Ausheilung erreichen will. Sich in solchen Fällen allein auf die ausgezeichnete Funktion des Immunsystems zu verlassen, beinhaltet insbesondere mit Blick auf die schlechte Durchblutung des Knochens jedoch ein mittels sorgfältiger Desinfektion mit wirklich potenten Desinfektionsmitteln vermeidbares, nicht kalkulierbares Risiko. Es ist also keineswegs überraschend, dass der Zustand des individuellen unspezifischen Immunsystems ein wesentlicher Parameter für die Voraussagbarkeit des endodontischen Therapieerfolges bei apikaler Ostitis ist, wenn man nicht genau sorgfältig wie geduldig die unverzichtbaren und entsprechend potenten Desinfektionsmittel anwendet. Diese im Prinzip sehr schöne Studie ist auf der einen Seite ein gelungenes Beispiel dafür, dass es durch sorgfältige Untersuchungen sehr wohl gelingen kann, den wissenschaftlichen Beweis für etwas zu erbringen, was der Erfahrene allein durch sorgfältiges Beobachten und Nachdenken herausfindet, sie zeigt aber auf der anderen Seite, wie unerlässlich es ist, genau so sorgfältig über die Ergebnisse seiner Studien nachzudenken, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können.

Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen eindrucksvoll die von Walkhoff bereits vor 100 Jahren aufgestellte Forderung nach einer möglichst vollständigen Eliminierung der für die Infektion verantwortlichen Keime durch geeignete und entsprechend potente Desinfektionsmittel (chemische Aufbereitung). Würden nämlich durch geduldige Langzeitdesinfektion vor dem definitiven Verschluss alle Keime abgetötet, würde die Qualität der individuellen Immunabwehr keine entscheidende Rolle mehr spielen, weil keine persistierenden Keime mehr vorhanden wären, mit dem sich das Immunsystem auseinandersetzen müsste. Und das würde dann dazu führen, dass sich bei erweiterter Indikationsstellung zum Zahnerhalt kein signifikanter Unterschied im Behandlungserfolg zwischen beherdeten und nicht beherdeter Zähnen ergeben würde.

8. Das wissenschaftlich einzig relevante, weil radiologisch überprüfbare Kriterium für ein erfolgreiches Endodontiekonzept ist die knöcherne Ausheilung der apikalen Läsion bei periapikaler Ostitis.

Entscheidend für erfolgreiche Endodontie bei erweiterter Indikationsstellung zum Zahnerhalt ist in diesem Sinne weniger die mit immer größerem technischen Aufwand perfektionierte Aufbereitung (mehr als 50% des zu entfernenden Debris kann auf diesem Wege in keinem Fall entfernt werden) und Obturation, sondern die sorgfältige, geduldige Desinfektion mit potenten Desinfektionsmitteln und die sichere Wahl des Zeitpunkt des Abfüllens. Dieser Zeitpunkt muss durch klinisch eindeutige Zeichen überprüfbar und genau bestimmbar sein, um Exazerbationen sicher auszuschließen. Es ist in diesem Sinne kein Zufall, dass Walkhoff in seiner These die chemische vor die instrumentelle Aufbereitung gestellt und bis zur Sättigungsgrenze kampferisiertes Parachlorophenol als Desinfektionsmittel in die Zahnheilkunde eingeführt hat.

Unbestritten gilt:

1) Man muss bei der Wurzelkanalbehandlung soviel Keime wie möglich, also möglichst alle, aus dem Wurzelkanalsystem eliminieren

2) Man kann auf rein mechanischem Wege nicht alle Keime und allen Debris beseitigen, insbesondere nicht in den zahlreichen Seitenkanälchen, den Ramifikationen des apikalen Deltas und schon gar nicht aus den Dentin-Kanälchen selbst

3) Um einen langfristigen Erfolg einer WF zu sichern, müssen vor dem Verschluss möglichst keimarme Verhältnisse im Kanalsystem hergestellt werden, die den Organismus – auch im Falle reduzierter Immunantwort- in die Lage versetzen, mit möglicherweise persistierenden Rest-Keimen alleine fertig zu werden.

4) Wenn man also in keinem Fall sicher sein kann, allen Debris aus den Wurzelkanälen mechanisch entfernen zu können, bleibt nichts anderes übrig, als ein potentes Desinfektionsmittel zu applizieren, das den verbleibenden Rest ausreichend desinfiziert.

Daraus folgt zwingend:

Die ideale WK /WF beinhaltet die vollständige Reinigung und Desinfektion des Wurzelkanalsystems, die mit mechanischen Methoden allein gegenwärtig NICHT zu erreichen ist. Deshalb ist die geduldige Anwendung eines potenten, chemischen Desinfektionsmittels UNBEDINGT erforderlich (conditio sine qua non). Dies wird auch – bis auf die Geduld- von Teilen der Wissenschaft nicht bestritten. Die Wissenschaft dogmatisiert allerdings in diesem Zusammenhang die Verwendung von Ca(OH)2 und Natriumhypochlorid.

Diese auf der Basis von anatomischen Kenntnissen, allgemeinmedizinischem Grundwissen der Infektionslehre und der Therapie septischer Zustände und auf sorgfältigem Nachdenken beruhende logische Schlussfolgerung wird jetzt endlich auch durch die Veröffentlichung einer neuen In-Vivo-Studie von Nair et al. vom Februar 2005 eindrucksvoll bestätigt. Die Autoren haben die mesiale Wurzel beherdeter Unterkiefermolaren aufbereitet (mesiolingualer Kanal mit rotierenden Niti-Instrumenten, mesiobukkaler Kanal mit Stahlfeilen), mit 5,25%iger NaOCL-Lösung desinfiziert und mit 10ml 17%iger EDTA-Lösung gespült und in erster Sitzung mit Guttapercha und einem Zink-Eugenol-Sealer abgefüllt. Dieses Protokoll entspricht dem sogenannten „Goldstandard“ der sehr großen Fraktion der „Sofortabfüller“, also dem überwiegenden Teil nicht nur der so genannten amerikanischen Endodontie-Schule. Weltweit lehren 70% der Endodontieschulen die so genannte One-Visit-Endodontie (Studie von Oginni et al.). Die Lehre dieses Protokolls als so genannter „Goldstandard“ ist vielmehr auch in Europa, nicht zuletzt auch in Deutschland und in der Schweiz ausgesprochen verbreitet. Unmittelbar anschließend wurden diese Wurzeln resiziert. Die gewonnenen Wurzelspitzen wurden fixiert, decalzifiziert, in dünne horizontale Scheiben geschnitten und in Plastik eingebettet. Anschließend wurden die Schnitte mittels korrelativem Licht und transmissionselektonenmikroskopisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass 14 der 16 (88%) untersuchten Wurzelspitzen trotz Desinfektion, Spülung und Obturation nach dem oben beschriebenen Protokoll immer noch infiziert waren. Darüber hinaus geben die Autoren zu bedenken, dass nicht einmal ausgeschlossen ist, dass die beiden von ihnen als nicht persistierend infiziert diagnostizierten Zähne möglicherweise lediglich in dieser Versuchsanordnung als keimfrei imponieren. Die Mikroben fanden sich in der Regel als Biofilm sowohl in unzugänglichen Nischen der aufbereiteten Hauptkanäle als auch im interkanikulären Isthmus und den Seitenkanälchen. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Untersuchungen, dass die bestehende Infektion aufgrund der komplexen Anatomie der Unterkiefermolaren und der Organisationsform der Bakterien als Biofilm durch das angewendete Endodontie-Protokoll nicht in einer One-Visit-Behandlung beseitigt werden kann. Sie unterstreichen als Ergebnis ihrer Untersuchung vielmehr die Notwendigkeit der Anwendung potenter chemischer und nichtantibiotischer Desinfektionsmittel, die in der Lage sind, Biofilme aufzubrechen, um die persitierende Bakterienlast auf ein Minimum zu reduzieren, um so eine günstige Langzeitprognose in der Therapie gangränöser Zähne zu erzielen.

Na endlich, möchte man erleichtert ausrufen, kaum sind 100 Jahre vergangen, und schon bestätigt die internationale Wissenschaft das, was der geniale deutsche Zahnarzt Prof. Otto Walkhoff schon damals in allen Details beschrieben und in einem Lehrbuch veröffentlicht hat.

Wie wenig Wissenschaftler manchmal darüber nachdenken, was sie untersuchen, und wie wenig sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen reflektieren, wird beispielhaft an einer sehr neuen Studie von Mileti et al. aus dem Jahre 2005 deutlich. Die Autoren vergleichen in ihrer in-vitro-Studie die Zytotoxizität von RoekoSeal und AH Plus und stellen fest, dass AH Plus nach 1 Stunde, 24 Stunden und 48 Stunden zytotoxischer ist als nach 7 Tagen und 1 Monat. Die Zytotoxizität nimmt offensichtlich mit der Zeit kontinuierlich ab. Demgegenüber wirkt RoekoSeal zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung zytotoxisch auf eine der untersuchten Zelllinien, was die Autoren ganz offensichtlich begrüßen. Auf der einen Seite gibt es die oben erwähnte, im Design sehr überzeugende in vivo-Studie von Nair, die nachweist, dass bei der Wurzelkanalbehandlung von Zähnen mit apikaler Ostitis nach dem so genannten Goldstandart in 90% der Fälle Keime zurückbleiben, auf der anderen Seite wird hier die völlig fehlende Zytotoxizität des einen als Vorteil und die transitorische, kontinuierlich abnehmende Zytotoxizität des anderen Sealers als Nachteil herausgestellt. Da es sich bei Bakterien jedoch bekanntermaßen um Zellen handelt, kann angesichts des verhehrenden Ergebnisses der in vivo-Studie von Nair die völlige Abwesenheit von Zytotoxizität aber nur als Nachteil von Röko Seal gewertet werden, und die intitiale, mit der Zeit abnehmende zelltötende Wirkung von AH Plus im Wurzelkanalsystem sollte von den Autoren als Vorteil herausgestellt werden. Dies zumindest dann, wenn weiterführende Untersuchungen zu dem wünschenswerten Ergebnis kommen sollten, dass diese zytotoxische Wirkung auch bei endodontitisrelevanten Bakterien nachzuweisen ist, wie es für den Vorgänger AH 26 bekannt ist. Dass AH26 diese Wirkung hat, verwundert nicht, da es beim Abbinden intitial Formaldehyd freisetzt, das ja ein ausgesprochen potentes Desinfiziens ist.

Diskussion:

Aus für uns nicht nachvollziehbaren, in unseren Augen auch keineswegs in irgend einer Form wissenschaftlich belegten Gründen, wird jedoch die Verwendung des wirksamsten aller uns momentan zur Verfügung stehenden Desinfektionsmittel abgelehnt. Dabei wird diese Ablehnung diffus, kontrovers und ohne wissenschaftliche Belege begründet. Einziger Konsens scheint zu sein, dass CHKM nicht gerade gut riecht und schmeckt. Wir halten diesen Konsens vom ärztlichen Standpunkt im Sinne der Zahnerhaltung für ausgesprochen abwegig.

Als Desinfektionsmittel werden von der Wissenschaft vorgeschlagen: NaOCl, EDTA, CHX, Ca(OH)2, H2O2 und auch CHKM.

Betrachten wir nun die Vorwürfe, die CHKM gemacht werden. Es sind insbesondere zwei alte Studien, die wieder und wieder zitiert werden, ohne auf Konsistenz überprüft worden zu sein.

Es handelt sich zum einen um die in vitro Studie von Spangberg aus dem Jahre 1973 (Spängberg) über die antimikrobielle und zytotoxische Wirkung von gekampfertem Parachlorphenol und anderen verbreiteten Desinfektionsmitteln, die sich alle als mehr oder weniger zytotoxisch erwiesen. Zu dieser Studie ist zu sagen, dass Spängberg nicht die Originallösung, sondern eine nicht gesättigte Mischung aus zuviel Parachlorphenol und zu wenig Kampfer verwendete, was sich ausgesprochen negativ auf Gewebeverträglichkeit und die Wirksamkeit auswirkt (verwendete Materialien), dass in der Studie nicht angegeben ist, ob und welche Lösungsmittel zugefügt waren, dass es sich um eine in vitro-Studie handelt, und dass sich alle anderen getesteten Mittel (z.B. Chlorhexidin) als ebenfalls konzentrationsabhängig toxisch erwiesen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Autor die allein mechanische Reinigung und Spülung mit Kochsalzlösung zur Keimelimination für ausreichend wirksam und die Verwendung stark desinfizierender Lösungen für überflüssig hält. Andere Autoren, die solche in vitro Untersuchungen wiederholt haben, kommen zu dem Ergebnis, dass nahezu alle in der Zahnheilkunde verwendeten Stoffe in vitro toxisch sind, z.B. Chlorhexidin, NaOCl, H2O2, usw. , aber auch alle verbreiteten Dentinadhäsiva.

Zum anderen handelt es sich um die in klinische Studie von Byström (Byström) aus dem Jahre 1985 über die antimikrobielle Wirkung von Ca(OH)2, gekampfertem Monochlorphenol und gekampfertem Parachlorphenol bei apikaler Ostitis, die zum Ergebnis hat, dass gekampfertes Parachlorphenol sehr deutlich weniger wirksam ist als Ca(OH)2, wobei keinerlei resistente Bakterien gegen Ca(OH)2 gefunden wurden. Zu dieser Studie ist zu sagen, dass die verwendeten Lösungen ebenfalls nicht bis zur Sättigung mit Kampfer gepuffert waren, und dass Alkohol als Lösungsmittel verwendet wurde, was sich ausgesprochen negativ sowohl auf die Wirksamkeit und die Gewebeverträglichkeit auswirkt. Darüber hinaus ist zwischenzeitlich durch zahlreiche Studien zweifelsfrei festgestellt, dass sich bei apikaler Ostitis eine Vielzahl von insbesondere anaeroben Bakterien und von Pilzen besonders in den Tubuli nachweisen lässt, die gegen Ca(OH)2 resistent sind, und/oder daselbst von Ca(OH)2 gar nicht erreicht werden.

Argumente der Wissenschaft gegen CHKM:

1.) Es ist toxisch am Periapex

Natürlich ist es das. Es ist schließlich ein potentes zelltötendes Mittel, deshalb wirkt es ja auch so gut auf Bakterien. Es gibt aber außer den Antibiotika keine anderen Mittel, die selektiv nur Bakterien bekämpfen und körpereigene Zellen verschonen. Antibiotika haben zudem eine nachgewiesen systemische Wirkung, werden aber in der Endodontie , in den USA sogar häufig systematisch, in großem Umfang angewendet. Da inzwischen Konsens besteht, dass Antibiotika nur dort eingesetzt werden sollten, wo sie wirklich unabdingbar sind (Antibiotika-Missbrauch, Resistenzentwicklung), gibt es nur in Ausnahmefällen eine Begründung, sie in der Endodontie einzusetzen, wenn andere Mittel zur Verfügung stehen, die gleiche oder bessere Ergebnisse zeigen. Die Verwendung von CHKM reduziert den Gebrauch von Antibiotika auf das notwendige Minimum (Vergessenes Wissen in der Endodontie).

Natürlich wirkt CHKM toxisch auf lebende Zellen, dass ist ja auch der Grund, warum wir Desinfektionsmittel in der Endodontie einsetzen (1. In vitro-Studie von Chang). Die von der Wissenschaft legitimierten Mittel wirken auch toxisch (2. In vitro-Studie von Chang). Eine neue Untersuchung von Ribeiro aus dem Jahre 2004 weist jedoch nach, dass Paramomochlorphenol genau so wenig gentoxisch ist wie Ca(OH)2 und Formkresol.

Auch CaOH2 hat diese zelltötende Wirkung, sonst würde es ja nicht bakterizid auf Bakterien wirken.

„Aber nicht so schlimm wie CHKM“ entgegnet die Wissenschaft.

Bei diesem in unseren Augen wenig wissenschaftlichem Argument stellt sich die Frage, welchen Vorteil wir daraus ziehen sollen, dass Ca(OH)2 „nicht so schlimm“ zelltötend wirkt? Wir wollen doch desinfizieren und damit Zellen töten. Darüber, dass es sich bei Bakterien um Zellen handelt, scheint uns doch immerhin Konsens zu geben. Wenn Ca(OH)2 also nicht „so schlimm“ bakterizid wirkt wie CHKM, dann bleibt doch nur der einzige logische Schluss, dass Ca(OH)2 für den Zweck, zu dem wir es anwenden, weniger geeignet ist als CHKM. Wenn Ca(OH)2 nicht im selben Maße zelltötend wirkt, dann muss man umgekehrt daraus folgen, dass es für die Indikation, zu der wir es anwenden, lediglich weniger wirksam und damit weniger geeignet ist als CHKM (In-vitro-Sudie von Fuss) und (Übersichtsartikel von Siqueira)

Wir haben nichts gegen die Anwendung von Ca(OH)2. Ganz im Gegenteil. Wir benutzen es ja als so genannte „Probe-WF“ an jedem Zahn, den wir endodontisch behandeln, für zumindest 3 Wochen, bevor wir endgültig abfüllen. Das hat uns sicher so manche peinliche Revision an von uns selbst abgefüllten Zähnen erspart. Wir machen das ja auch nicht von ungefähr, sondern aufgrund unserer Erfahrung. Aus dem gleichen Grund wissen wir auch, dass Ca(OH)2 in vielen Fällen der Gangränbehandlung nicht allein in der Lage ist, komplizierte Infektionen auszuheilen. Die Unterlegenheit der Wirkung bis hin zur Unwirksamkeit von Ca(OH)2 gegenüber CHKM auf viele Keime, die bei Gangränbehandlungen regelmäßig angetroffen werden, ist in zahleichen Studien belegt:

Übersichtsartikel von Siqueira Vergleich CHKM, NaOCL, Ca(OH)2
Unwirksamkeit von Ca(OH)2 Antimikrobielle Aktivität von Ca(OH)2
Vergleich von CHKM und Ca(OH)2 Uneffektivität von Ca(OH)2 ohne CHKM
E. faecalis-Infektion der Dentinkanälchen Unwirksamkeit von Ca(OH)2
CHKM am wirksamsten bei der Desinfektion devitaler Zähne In-vitro-Sudie von Fuss
Persistenz von Keimen trotz Ca(OH)2 bei periapikaler Ostistis Als .PDF-Datei (vollständiger Text) Unwirksamkeit von Ca(OH)2 auf E. faecalis
Ca(OH)2 praktisch unwirksam Ca(OH) 2 unwirksam auf e.Faecalis
Wirksamkeit von CHKM und Unwirksamkeit von Ca(OH)2 auf E. faecalis im menschlichen Dentin Kein zusätzlicher desinfizierender Effekt durch Zwischensitzung mit Einlahe von Ca(OH2)
Persitierende Keime nach Ca(OH)2-Einlage Ca(OH)2 nicht ausreichend wirksam (Waltimo)

Wir sehen das Problem von Ca(OH)2 neben der geringeren Bakterizidität besonders in seiner gegenüber CHKM deutlich unterlegenen Kriechfähigkeit. Es kommt aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften einfach nicht überall dorthin, wo es hin soll. Es wirk ja im Gegensatz zu ChKM nicht in der Gasform.

Unwirksamkeit von Calciumhydroxit E. faecalis-Infektion der Dentinkanälchen,
Klinische Studie von Peters Übersichtsartikel von Siqueira

Darüber hinaus gibt es Studien darüber, dass Ca(OH)2 die kleineren Neben- und Seitenkanälchen und insbesondere die Dentintubuli , in denen es wirksam werden muss, weil dort die Bakterien nachweisbar sind, nicht nur nicht penetriert, sondern sie vielmehr in einem hohen Prozentsatz verstopft und somit ein Abfüllen derselben verhindert ( Klinische Studie von Peters und Übersichtsartikel von Siqueira). In einer neueren Studie konnte in mit E. faecalis infizierten extrahierten Zähnen Biofilm-Bildung trotz Medikation mit Ca(OH)2 nachgewiesen werden (Biofilm-Bildung von Distel).

Der Fehler, den man der wissenschaftlichen Argumentationskette in Deutschland zuweisen muss, ist der, das man CHKM die eigentlich gewünschte Materialeigenschaft (hohe zelltötende Wirkung) zum Vorwurf macht und als Vergleich ein weniger wirksames und damit zwangsläufig weniger schädigendes Material als bessere Alternative auslobt, WEIL es weniger Wirkung hinterlässt. Das in diesem Zusammenhang häufig verwendete Argument, Ca(OH)2 sei „bioverträglich“ stellt in diesem Sinne eine contradictio in adjecto, also einen Widerspruch in sich selbst dar. Und das wird sich nicht ändern, so lange es unser Ziel sein muss, Bakterien zu töten und sie Bestandteil der Biologie sind.

Trotz dieser überzeugenden und in Wissenschaftskreisen lange bekannten Beweise für die Unzulänglichkeit von Ca(OH)2 als Desinfektionsmittel in der Gangränbehandlung wird beispielsweise den Schweizer Zahnärzten von Zehnder et al. noch in 2003 in der Schweizerischen Monatszeitschrift für Zahnmedizin ein Ca(OH)2-basiertes Desinfektionsprotokoll eindringlich empfohlen. Auch in Deutschland ist ein solches Protokoll die Basis der aktuellen Lehrmeinung.

2. Es wirkt systemisch:

Das heißt es geht in den Körper über. Das hängt damit zusammen, das es durch über den Apex und die kleinen Dentinkanälchen diffundiert und damit auch Bereiche erreicht und desinfiziert, die sonst nicht zu erreichen wären (Übersichtsartikel von Siqueira). Hier sehen wir den zweiten Fehler in der wissenschaftlichen Argumentationskette: gerade WEIL CHKM diese gewünschte Eigenschaft aufweist, in Bereiche vorzudringen, die mit Ca(OH)2 nicht oder nur unzureichend desinfiziert werden können, erzielt diese „als systemisch wirksam“ abgelehnte Eigenschaft das gewünschte sehr gute, voraussagbare Ergebnis. Und genau dieses angestrebte Ergebnis macht man dann dem Medikament wieder zum Vorwurf.

Darüber hinaus wird CHKM nur temporär und aufgrund der dem Wurzelkanalsystem eigenen Enge in sehr kleinen Mengen angewendet. Die Gefahr möglicher systemischer Nebenwirkungen, die als Argument gegen CHKM vorgebracht wird, relativiert sich dadurch zur Bedeutungslosigkeit. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der jedem Medikament eigenen Dosis-Nebenwirkungs-Relation.

3. Schlechte Wirkung:

Eine alte Studie soll angeblich die schlechte Wirksamkeit von CHKM belegen. Zahlreiche neuere Studien belegen jedoch, dass CHKM insbesondere gegen anaerobe Keime, mit denen wir ja in der Gangrän-Behandlung konfrontiert sind, gegenüber CaOH2 deutlich gesteigerte bakterizide Wirkung aufweist. Das eigentliche Problem mit CHKM ist, dass es zwar sehr viele Gerüchte gibt, die gerne und ausgiebig kolportiert werden, aber keinerlei ernst zu nehmende wissenschaftliche Studien, die diesen Gerüchten Substanz verleihen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Dem durch viele Studien belegten Nachweis, dass CHKM dem Ca(OH)2 in allen Belangen, die man von einem potenten Desinfektionsmittel in der Endodontie erwarten kann und muss, deutlich überlegen ist (Übersichtsartikel von Siqueira) begegnet die Wissenschaft mit dem Argument, dass Ca(OH)2 gar nicht das eigentliche zur Desinfektion verwendete Medikament ist, sondern dass vielmehr Natriumhypochlorid, das in ständig steigender Dosierung Verwendung findet, die notwendige Desinfektion gewährleistet und fügt hinzu:

4. CHKM habe gravierende Nebenwirkungen:

Wir haben keinerlei Nebenwirkungen festgestellt und auch keine Literaturstellen gefunden, in denen solche Nebenwirkungen dokumentiert sind. Sequeira auch nicht (Übersichtsartikel von Siqueira). Der allgemeine Konsens über diese angeblichen Nebenwirkungen von CHKM scheint nur auf Nacherzählungen von Meinungen und Behauptungen zu fußen, die irgend jemand irgendwann einmal unbewiesen aufgestellt hat. Allerdings haben wir zahllose wissenschaftliche Dokumentationen über gravierende Nebenwirkungen der von der Wissenschaft legitimierten Desinfektionsmittel gefunden, die zum Teil als ausgesprochen ernsthaft einzustufen sind, insbesondere bei der Verwendung von Natriumhypochlorid .

Eine Übersicht belegt diese dokumentierten Nebenwirkungen des NaOCl mit zahlreichen Literaturangaben (Iatrogene Zwischenfälle, Volltext als .PDF-Datei).

5. NaOCl

Natriumhypochlorid, das man ja in bissiger Replique auf die unbewiesene Einlassung der Wissenschaft, die Verwendung von CHKM sei obsolet, auch als „Toilettenreiniger“ bezeichnen könnte, wozu es ja durchaus eine verbreitete Verwendung findet, wird dabei in ständig steigender Dosierung angewandt. Angefangen bei einer 0.5 %igen Lösung sind einige der Protagonisten sich stetig steigernd inzwischen bei der Applikation einer 6 %igen Lösung angelangt. Zusätzlich wird die Erwärmung auf Körpertemperatur empfohlen, um die Wirksamkeit zu steigern. Diese Steigerung in der Dosierung wird vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass das Spülen mit einer 0,5%igen NaOCl-Lösung nur unwesentlich wirksamer ist als die Spülung mit destilliertem Wasser (Vergleich NaOCl und destilliertes Wasser). Es wäre ja auch kaum nachvollziehbar, wenn man im Laufe der Zeit wegen der erfolgreichen Anwendung eine Verzwölffachung der angewendeten Konzentration vorgenommen hätte. In einer Konzentration von 6% dringt Natriumhypochlorid jedoch in völlig neue Bereiche der chemischen Gefahrenklassen vor, das Chlor gast von alleine aus und erfüllt den Raum mit einem stechenden, ätzenden Geruch, gegen den CHKM geradezu wohlriechend ist. Von den hässlichen Flecken und Löchern, dass Natriumhypochlorid auf der Kleidung der Patienten hinterlässt, einmal ganz abgesehen. Hochprozentige NaOCl-Lösungen haben jedoch einen dezimierenden Effekt auf menschliches Dentin ( Einfluss von 5%iger NaOCL-Lösung auf das Dentin).

Wie selten durch Zahnärzte beobachtete Komplikationen Eingang in die einschlägige Literatur finden, wird an folgendem Beispiel deutlich. Im Zusammenhang mit der Verteidigung von CHKM gegen die gängige Lehrmeinung haben wir auf einer zahnärztlichen Liste mit ca. 400 Teilnehmern nach den persönlichen Erfahrungen mit hochkonzentrierter NaOCL-Lösung gefragt. Dabei wurden uns bisher allein 8 Komplikationen aus diesem relativ kleinen Kreis zur Kenntnis gebracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es nicht jedermanns Sache ist, eine von ihm verursachte iatrogene Schädigung öffentlich darzustellen und dass nur ein Teil der Teilnehmer überhaupt NaOCL anwendet:

  1. Eine Gesichtsverätzung, nachdem NaOCl unbemerkt zwischen Kofferdam und Gesichtshaut gelangt war, die jedoch verschorfend innerhalb einer Woche vollständig abheilte.
  2. Drei reversible Anästhesien von Anteilen des N. alveolaris inferior
  3. Eine irreversible Anästhesie von kleineren Anteilen des N. alveolaris inferior
  4. Zwei Verätzungen im Bereich des Kieferhöhlenbodens
  5. Eine ulcerierende Verätzung im Mundbodenbereich

Auf die Frage nach infolge der Verwendung von ChKM beobachteten Nebenwirkungen, wurde uns nicht eine benannt. Lediglich ein Teilnehmer berichtete über das Auftreten von leichtem Brechreiz, wobei er diesen jedoch auf die Verwendung von H2O2 zurückführte, das beim Spülen in den Rachen des Patienten gelangt war. Bei unseren umfangreichen Recherchen zum Thema ChKM haben wir in der Literatur keinen einzigen Bericht über einen Fall einer auf ChKM zurückzuführenden Nebenwirkung gefunden. Und auch erklärte Gegner seiner Anwendung wie Versümer und Hülsmann können über keinen einzigen Fall berichten.

Da NaOCl bekanntermaßen in zahlreichen Haushaltsreinigern Verwendung findet, nimmt die Zahl der Allergien gegen NaOCl stetig zu. Es sind auch schon Fälle bekannt geworden, bei denen es bei der endodontischen Zahnbehandlung zu solchen allergischen Reaktionen gekommen ist. So scheint es geraten, Patienten vor der Behandlung mit NaOCl auf das Vorliegen einer Putzmittelallergie zu befragen (Allergien auf Haushaltsmittel).

Abgesehen davon gibt es Studien, die die Überlegenheit von CHKM auch gegenüber NaOCl bei der Desinfektion von mit Problemkeimen der Endodontie besiedelten Dentintubuli belegen ( Vergleich CHKM, NaOCL, Ca(OH)2 ). Ganz nebenbei ist NaOCl im Vergleich zu CHX doppelt so toxisch (Toxizität von NaOCl) und besitzt auch in 5.25%iger Lösung keine höhere Desinfektionswirkung. In einem Vergleich zwischen NaOCl und CHX war CHX nicht signifikant überlegen, wobei von beiden Substanzen Keimfreiheit in keinem Fall erreicht wurde (Vergleich NaOCL und CHX).

Wie nebenwirkungsfrei, hochwirksam und gleichzeitig hervorragend schmerzstillend und schmerzfrei CHKM auch bei der Behandlung gangränöser durch klinisch und manuell noch sehr unerfahrene Studenten im ersten klinischen Jahr wirkt, bei denen ja eine „unsachgemäße Anwendung“, wie sie bei Nebenwirkungen von NaOCl angenommen wird, am ehesten zu erwarten wäre, zeigt eine Studie von Siqueira (Postoperative Schmerzen und CHKM). Über keinerlei Schmerzen nach Aufbereitung und Versorgung mit CHKM in einer Sitzung berichteten 84,8 % der 627 Patienten, 10 % über leichte, 3.3 % über mäßige und lediglich 1.9 % der Patienten klagte über starke postoperative Schmerzen. Die postoperativen Beschwerden waren interessanterweise signifikant und allein korreliert mit der Behandlung von Zähnen, die eine präoperative Schmerzsymptomatik gezeigt hatten, ohne dass eine periapikale Läsion vorlag (p<0,01). Eine solche geringe postoperative Schmerzsymptomatik ist bei Verwendung von NaOCl und sofortigem oder verzögertem Verschluss nicht zu erwarten (Postoperative Schmerzen).

Dieser Argumentation begegnend erklärt die Wissenschaft, bei CHKM bestehe ein:

6. Schlechtes Verhältnis zwischen Wirksamkeit und toxischer Wirkung:

Das ist die „Das Imperium schlägt zurück “ Antwort einer alten Studie. „….die Desinfektion steht im Gegensatz zum Nachteil an systemischer und örtlicher Wirkung ……“ So was kann man natürlich einfach mal so dahersagen. Aber ist das eine wissenschaftlich begründete Aussage?

Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall. In einer gut dokumentierten, Studie von künstlich erzeugten, abakteriellen apikalen Läsion an Hundezähnen ( Ausheilung künstlich erzeugter periapikaler Läsionen) wurde die Restitutio ad integrum bei der Verwendung von CHKM im Gegensatz zur Kontrollgruppe experimentell nachgewiesen. Die reparativen Prozesse zeigten sich histopathologisch in der Neubildung von Wurzelzement, Reossifikation und an einer markanten Verkleinerung der periapikalen Läsion. Diese Ergebnisse decken sich mit unseren eigenen Erfahrungen und Bildern bei der Anwendung in der Zahnheilkunde.

In einer weiteren Studie an Mäusen (Entzündliche Gewebereaktion und Restitutio ad integrum) zeigte sich nach subcutaner Injektion von CHKM ebenfalls eine Restitutio ad integrum.

In einer kürzlich erschienen Ausgabe der DZZ, wurde CHKM von der Deutschen Gesellschaft für Zahnheilkunde als obsolet bezeichnet und damit seine Anwendung praktisch verboten. Begründet wurde dies neben den üblichen unpräzisen Kommentaren in einer Stellungnahme zu einer In-vitro-Studie des Kollegen Chang ( 1. In vitro-Studie von Chang), der ohne Angabe von Konzentration und Einwirkungsdauer ein wenig CHKM in ein Reagenzglas gegeben hatte, in dem sich gezüchtete, menschliche Desmodontalzellen befanden. Bei dieser Gelegenheit konnte er feststellen, dass die Zellen das nicht überlebten.

Zum Glück hat jedoch derselbe Kollege Chang sein Experiment mit Chlohrhexidin und NaOCL wiederholt (2. In vitro-Studie von Chang) und konnte dabei die gleiche Wirkung erzielen. Inzwischen hat Chang mit vergleichbarem Ergebnis (alle zytotoxisch) die gängigen Adhäsiv-Systeme untersucht.

Darüber hinaus finden sich Studien, die sowohl für NaOCL in lediglich 0.05 %iger Lösung als auch für Ca(OH)2 eine im Vergleich zu ihrer antimikrobiellen Potenz ausgesprochen starke, zerstörende Wirkung auf Zellkulturen feststellen ( Zellzerstörender Effekt von NaOCl und Ca(OH)2).

Die Begründungen der Wissenschaft dafür, warum CHKM als obsolet bezeichnet und sein Verbot betrieben wird, halten in unseren Augen einer kritischen Würdigung nicht stand.

Hier muss man kritisch hinterfragen:

Welche Studien begründen eine solche Einlassung? Wir haben keine ernsthafte Studie finden können, die diese Aussagen belegt! Siqueira auch nicht (Übersichtsartikel von Siqueira).

Wo gibt es klinische Fälle, die die behaupteten negativen Wirkungen von CHKM belegen? Wir haben keine beobachten oder finden können. Siqueira auch nicht (Übersichtsartikel von Siqueira).

Wenn nein? Wer wagt es dann im Zeitalter von wissenschaftlich begründeter, evidenzbasierter Zahnmedizin, eine solche unbewiesene und unbegründete Behauptung und Wertung vorzunehmen, daraus ein Dogma zu formulieren und den Patienten im Sinne der Erhaltung ihrer Zähne das potenteste Desinfiziens in der Gangränbehandlung vorzuenthalten?

Oder noch viel einfacher: Diese Wertung geht von einer falschen Basis aus, denn sie legt eine geringe Desinfektionswirkung verbunden mit der Behauptung gravierender Nebenwirkungen zugrunde. Wenn man die nachgewiesene, wesentlich höhere, nebenwirkungsfreie Desinfektionsleistung des CHKM , wie sie in neuen Studien belegt ist, zugrunde legt, dann muss völlig neu gewichtet werden.

Fazit:

Das einzige wirklich stichhaltige Argument, das die Wissenschaft anführen könnte, wäre, dass CaOH2 und NaOCl für die Desinfektion in der Endodontie grundsätzlich ausreichend sind, so dass man in jedem Fall auf stärker zelltoxische Mittel verzichten kann. Genau das Gegenteil ist aber der Fall, da mehrere NEUE Studien zu dem Schluss kommen, dass CAOH2 und NaOCl bei Problemkeimen der Gangränbehandlung wie beispielsweise E. Faecalis nicht in ausreichendem Maße bakterizid wirkt, bzw. -ganz im Gegensatz zu CHKM- sogar völlig wirkungslos sind (Übersichtsartikel von Siqueira).

Zu fordern ist, dass die Wissenschaft endlich damit anfängt, in ihren Untersuchungen und Erfolgstatistiken zwischen den unterschiedlichen Indikationsstellungen zur Wurzelbehandlung zu differenzieren. Wir halten die röntgenologisch dokumentierte Abheilung ossärer Aufhellungen für das einzige brauchbare Kriterium zum Nachweis eines erfolgreichen Endodontie-Konzeptes. Um diesen Nachweis zu erbringen, muss die Wissenschaft entsprechende Bilder erfolgreicher Behandlungen vorlegen.

Solange die Wissenschaft das nicht tut, muss sie sich nicht wundern, wenn unsere Vermutung nicht ausgeräumt wird, dass die Begründung für die Behauptung, dass CaOH2 und NaOCl grundsätzlich und in jedem Falle zur Desinfektion des Wurzelkanalsystems ausreichend sind, lediglich in der Selektion der behandelten Fälle zu suchen und zu finden ist. Und dass sehr viele gangränöse Zähne ihren Weg in die Erfolgsstatistiken gar nicht erst finden können, weil sie vorher der Zange zum Opfer fallen.

Zu untersuchen wäre in diesem Sinne die Quote derjenigen Zähne, die nur trepaniert und aufbereitet werden, die jedoch das Stadium der WF nicht erreichen. Nachuntersucht werden regelmäßig solche Zähne, die zumindest einmal wurzelgefüllt wurden, also aufgrund zahnärztlicher Bemühungen zumindest kurzfristig beschwerdefrei geworden sind. Dabei braucht man sich nur eine beliebige Auswahl von 100-Fall-Statistiken der kassenzahnärztlichen Behandlungen in Deutschland anzuschauen, um festzustellen, dass die Anzahl der aufbereiteten die Zahl der abgefüllten Kanäle um einen hohen Prozentsatz übersteigt (Endodontie in Deutschland). Es wird in den Statistiken also keineswegs der Erfolg von Wurzelbehandlungen an sich beurteilt, sondern vielmehr lediglich der Erfolg oder Misserfolg nach abgeschlossener Wurzelfüllung.

Solange es kein Mittel gibt, das eine 100% Wirkung erreicht, sollte man das nehmen, welches dieser geforderten Wirkung am nächsten kommt, vorausgesetzt, dass die mit der Anwendung verbundenen Nebenwirkungen, die jedem Medikament abhängig von seiner Dosierung zu eigen sind, vollständig reversibel sind.

Wenn Sie sich die Fälle und die Bilder anschauen, die wir auf dieser Homepage vorstellen, werden Sie an der röntgenologisch nachgewiesenen knochendichten Ausheilung leicht erkennen, dass das für CHKM zutrifft. Reversibilität einer möglichen Nebenwirkung muss eingetreten sein, denn sonst wären die apikalen Aufhellungen ja NICHT ausgeheilt. Solche Bilder haben wir in Hülle und Fülle. Die Veröffentlichung von Ausheilungen üblicher apikaler Aufhellungen, die unsere tägliche Routine darstellen, würde den Rahmen dieser Darstellung jedoch sprengen. Deshalb veröffentlichen wir lediglich besonders auffällige Fälle.

Als einziges Argument gegen ChkM verbleibt somit der von vielen als schlecht empfundene Geruch und Geschmack. Und auch dieses Argument ist zumindest im Bezug auf höher konzentriertes NaOCl nicht besonders stichhaltig.

Medizin ist eine in weiten Bereichen empirische, also erfahrungsorientierte Wissenschaft. Das hat Vor- und Nachteile. Der eindeutige Vorteil ist, dass man nicht zwangsläufig abhängig ist von wissenschaftlich eindeutig begründeten Nachweisen, die der Praxis häufig genug hinterherhinken, oder im Sinne der Verbesserung der Volksgesundheit (Endodontie in Deutschland, Qualität der Endodontie in Deutschland) völlig an ihr vorbei laufen (60 % endodontische Misserfolge in Deutschland, wenn man die Zunahme der apikalen Aufhellung bzw. ihr Auftreten als Kriterium anwendet, 50% Misserfolge, wenn man das Verbleiben des Zahnes einfordert). Diese Empirie in der Medizin findet ihren schwer widerlegbaren Ausdruck in dem Satz: „Wer heilt hat Recht“.

Damit wir nicht falsch verstanden werden, möchten wir noch einmal ausdrücklich feststellen:

Wir sind nicht gegen die Verwendung von Ca(OH)2 und Natriumhypochlorid. Wir haben auch nichts gegen mögliche Nebenwirkungen, wenn sie eine tolerable Quote nicht übersteigen. Wir wehren uns aber vehement dagegen, wenn die Wissenschaft in Deutschland die dokumentierten Nebenwirkungen von Natriumhypochlorid auf der einen Seite toleriert und akzeptiert, seine Verwendung dogmatisiert und die nicht ausreichende bis nicht vorhandene Wirkung von Ca(OH)2 auf Problemkeime negiert, auf der anderen Seite jedoch CHKM, das mit großer Wahrscheinlichkeit wirksamer ist als Natriumhypochlorid in hoher Konzentration, sich im Gegensatz zu NaOCL jedoch zur geduldigen Langzeitdesinfektion eignet, dabei sogar die Tubuli penetrieren kann und auf Problemkeime sehr deutlich wirksamer ist als Ca(OH)2, aufgrund von angeblichen, nicht dokumentierten Nebenwirkungen „wegen nachgewiesener Schädlichkeit“ als obsolet bezeichnet und damit zumindest indirekt sein Verbot betreibt.

Wir halten das für schlicht und einfach unwissenschaftlich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.