Die Therapie der endodontischen Infektionserkrankung erfolgt national und international nach sehr unterschiedlichen Protokollen. Um den Erfolg unterschiedlicher Behandlungsprotokolle miteinander vergleichen zu können, muss der Erfolg objektivierbar sein und darf sich nicht nur am Verbleiben des Zahnes im Mund und/oder der klinischen Beschwerdefreiheit orientieren.
Zur Objektivierbarkeit des Therapieerfolges drängen sich radiologische Verlaufskontrollen wegen ihrer Reproduzierbarkeit geradezu auf. Nicht nur aus diesem Grunde muss sich jedes endodontische Behandlungsprotokoll am Erfolg der Behandlung der apikalen Ostitis messen lassen, weil er hier objektiv messbar wird. Für Erfolg und Misserfolg müssen von den unterschiedlichen Behandlern für ihre unterschiedlichen Protokolle die gleichen Kriterien angewendet werden. Den Beweis für den Erfolg liefert die radiologisch vollständige knöcherne Ausheilung der ehemaligen Aufhellung bzw. ihre deutliche Reduzierung, den Beweis für den Misserfolg liefert die Entwicklung einer apikalen Aufhellung bzw. deren Vergrößerung anlässlich der radiologischen Verlaufskontrollen. Als unsicheres Ergebnis wird die in Größe und Struktur unveränderte Aufhellung gewertet. In sehr vielen Studien werden diese unsicheren Ergebnisse (Verdacht auf Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr nicht auszuräumen) zu Unrecht den Therapieerfolgen zugerechnet. Darüber hinaus muss ein Beobachtungszeitraum von beispielsweise mindestens 3 Jahren eingehalten werden, da die völlige knöcherne Ausheilung der apikalen Aufhellung nach ihrer initialen Reduzierung sehr häufig einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Als Maß für das Ausmaß der apikalen Beherdung bietet sich der von 1 bis 5 reichende PAI-Index (periapical index) an (Radiological aspects of apical Peridontitis von Humonen und Orstravik als PDF-Datei). Sinnvoll wäre es, diesen Index im Bezug auf die Größe der Aufhellung und das Vorhandensein von Komplikationen (z.B. Fistel) zu erweitern.
In unseren Augen ist ein wesentlicher Schwachpunkt aller Studien, dass die unterschiedliche Indikationsstellung der unterschiedlichen Behandler zum Zahnerhaltungsversuch nicht in diese Studien eingeht und nicht aus ihnen herauszulesen ist. Dadurch besteht die Gefahr bei der Bewertung unterschiedlicher Behandlungsprotokolle Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Lassen Sie uns diese Problematik an folgendem Beispiel erläutern
Nehmen wir an, es seien (theoretisch) 100 Zähne mit apikaler Ostitis zu behandeln.
Behandler A stellt die Indikation zum Erhaltungsversuch eng, extrahiert 50 Zähne, und erhält unter Anwendung seines endodontischen Protokolls davon 40. Seine veröffentlichte Performance (40 von 50) beträgt somit 80 %.
Behandler B, der über ein abweichendes Protokoll zur Behandlung dieser verbreiteten Erkrankung anwendet, stellt die Indikation zum Zahnerhalt wesentlich weiter, extrahiert in der Folge nur 20, und erhält 50 Zähne. Seine veröffentlichte Performance beträgt somit (50 von 80) lediglich 62% und er veröffentlicht deutlich schlechtere Zahlen als Behandler A, obwohl er 20 % mehr Zähne erhalten hat.
Obwohl Behandler B also möglicherweise nach einem überlegenen Protokoll behandelt, ist das aus seiner Studie nicht herauszulesen, sondern es sieht vielmehr so aus, als sei das Protokoll von Behandler A das überlegene.
Um diese Schwäche zu eliminieren, wäre es in unseren Augen ausgesprochen sinnvoll und hilfreich, eine Art Score zu etablieren, der auf den ersten Blick eine Beurteilung darüber erlauben würde, wie weit oder wie eng der jeweilige Behandler die Indikation zum Zahnerhaltungsversuch stellt und wie groß der Behandlungserfolg seines Protokolls unter Einbeziehung seiner Indikationsstellung zum Zahnerhaltungsversuch ist.. Mit Hilfe eines solchen Scores wären unterschiedliche Studien unterschiedlicher Behandler mit unterschiedlichen Protokollen und unterschiedlicher Indikationsstellung zum Zahnerhalt unmittelbar vergleichbar.
Nehmen wir einmal an, man würde den PAI-Index nach den oben genannten Kriterien auf 8 erweitern, wobei der Index 1 radiologisch völlig unauffällige apikale Verhältnisse beschreiben würde, während der Index 8 für eine radiologisch gemessene Aufhellung größer/gleich 1 cm oder die Komplikation durch Fistelung stehen würde, wobei der Nachweis der Fistel radiologisch mit einer eingeführten Guttaperchastift belegt wäre. Nehmen wir weiter an, dass jeder Behandler die in seine Studie eingehenden Zähne vor der Anwendung seines Behandlungsprotokolls nach diesem Index klassifizieren würde. Aus dem Summe der erhobenen Ausgangsindices geteilt durch die Zahl der in die Studie eingehenden Zähne würde sich in der Folge der Ausgangs-Score dieser Studie errechnen. Aus der Höhe dieses Ausgangs-Scores würde sich in der Folge im Vergleich der Studien auf die Indikationsstellung zum Zahnerhaltungsversuch der einzelnen Behandler rückschließen lassen. Je höher der Ausgangs-Score, desto weiter wurde die Indikation zum Zahnerhaltungsversuch gestellt, je niedriger er ausfallen würde, desto enger wäre die Indikatiosstellung in der einzelnen Studie gestellt worden.
Nach Behandlung nach dem jeweiligen Protokoll würde jeder Behandler anlässlich einer Verlaufskontrolle nach beispielsweise 3 Jahren in gleicher Weise einen Abschluss-Score errechnen. Je kleiner dieser Score ausfiele, desto erfolgreicher wäre das Behandlungsprotokoll zu werten.
Die Höhe der Zahl, die sich aus der Division des Ausgangs- Scores durch den Abschluss-Score errechnet (Ausgangs-Score geteilt durch Abschluss-Score) ergibt den auf den ersten Blick vergleichbaren Endodontie-Score des jeweiligen Behandlers unter Einbeziehung des Erfolgs des von ihm angewandten Protokolls und der Weite seiner Indikationsstellung. Je größer die Zahl ausfällt, desto erfolgreicher ist das Protokoll unter Einbeziehung der Indikationsstellung zum Zahnerhalt.
Anhand dreier einfacher Kennzahlen wären die unterschiedlichen Studien mit den unterschiedlichen Behandlungsprotokollen bei unterschiedlicher Indikationsstellung zum Zahnerhalt unmittelbar vergleichbar.