In der Folge der Amerikanisierung der deutschen Zahnheilkunde müssen wir „alten Säcke“ ja nicht nur in der Endodontie mühsam allerlei neue Begriffe lernen und sie einigermaßen bedeutungsvoll und flüssig über die Lippen bringen, um mitreden zu können, wenn die jungen Kollegen balzen. Dass man bei einem operativen Eingriff mit nachfolgender prothetischer Versorgung auch die Kontrolle über das Weichgewebe ausüben, behalten und seine Reaktion vorausschauen muss, versteht sich ja eigentlich von selbst. In den meisten Fällen ist das auch viel einfacher als man das auf Neudeutsch ausgedrückt vermuten würde, wenn man einige wenige Prinzipien beachtet.

In diesem Falle handelt es sich um einen seit längerer Zeit zahnlosen 1. Quadranten bei einer starken Raucherin. Das „Tissue Management“ bestand in diesem Fall in nicht mehr als der richtigen Positionierung und dem tiefen Versenken der Implantate, der richtigen Schnittführung vor der Implantation, dem Aufschrauben geeigneter Gingiva-Former und der richtigen Nahttechnik.

Die klinische Situation des Weichgewebes bei der ersten Kontrolluntersuchung nach 9 Monaten mag bis auf die Papille zwischen 13 und 14 (die Rezession an 13 ist unverändert) vielleicht nicht den Anspruch einer amerikanischen Filmschauspielerin für ihre neuen Frontzähne befriedigen, wohl aber den einer jungen hübschen Patientin für den Seitenzahnbereich, der mit welcher Begründung auch immer alle Zähne distal des rechten oberen Eckzahns und linken unteren Vierers gezogen worden waren, nicht ohne ihr für die linke obere Seite bis auf den Siebener Vergleichbares für die nahe Zukunft in Aussicht zu stellen und kostenmäßig voranzuschlagen. Lediglich die für sie nicht finanzierbare Höhe der geplanten Verrichtung und die Tatsache, dass der Kollege von ihr verlangte, das Rauchen aufzugeben, hatte sie auf die Idee gebracht, eine Zweitmeinung einzuholen. Das Ergebnis befriedigte alle Beteiligten um so mehr als keine zusätzlichen Kosten oder operative Eingriffe erforderlich waren.

Dezember 2003 (Klick!)

Auf (relativ) einfach Weise ereichen wir ein solches Ergebnis in der Regel wie folgt:

* gute Positionierung der Implantate in einem adäquaten Abstand zueinander (Straumann-Schablone)

* wesentlich (nahezu vollständiges) tieferes Versenken der Implantate als im Allgemeinen in der Literatur angegeben, was den zusätzlich Vorteil hat, dass es in der Regel nur ganz geringe initiale Knochen-Einbrüche gibt, also lieber kürzere Implantate tief versenken als längere nicht tief genug

* Schnittführung deutlich palatinal (bei breitem Angebot 2 mm) der Mittellinie mit möglichst sparsamer Mobilisierung (palatinal nur bis zu Kante, vestibulär maximal 0,5 cm über die Kante hinaus, so dass man gerade mit einer stumpfen Sonde prüfen kann, ob es unter sich gehende Stellen gibt, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass es bei guter Kühlung (20 Minuten drauf, 20 Minuten weg) praktisch keine Schwellung gibt

* Entgegen der allgemeinen Empfehlung NICHT zunächst eine einfache Abdeckschraube aufschrauben und das Abheilen der Schleimhaut und das Einheilen der Implantate abwarten, sondern gleich den Gingiva-Former (Ästhetik-Plus von Straumann mit vestibulärer Abschrägung) eingliedern

* Höhe des Gingiva-Formers so wählen, dass die Schleimhautkante ca. 1 bis 1,5 mm überragt wird

* Einzelknopf-Naht mesial und distal des jeweiligen Implantates, Einstichstelle vestibulär ca. 1 cm von Schleimhautkante entfernt, sicher durch das Periost geführt, auch palatinal mindestens 0,5 cm entfernt, auch sicher durch das Periost. Diese von der Schnittkante „weit entfernte“ Nahttechnik führt dazu, dass man (mit Gefühl) relativ fest anziehen und knoten, also trotz sparsamer Mobilisierung ausreichend adaptieren kann, ohne dass es (wegen der weiten Entfernung der Einstichstellen) zu einer Nekrose des vestibulären kleinen Lappens kommt, der sich am Gingiva-Former schräg in palatinaler Richtung der Abschrägung folgend aufstellt und diesen von vestibulär gesehen deutlich überragt.

* man sich nicht durch das anfangs etwas merkwürdige und wenig professionelle Aussehen des Lappens dazu verführen lässt, in irgendeiner Form durch jedwede Exzidierung Schleimhaut zu opfern. Unmittelbar mesial und distal des Gingiva-Formers ergeben sich in der Regel (sehr kleine) Dreiecke, die nicht primär gedeckt werden. Diese granulieren aber bei initial guter Mundhygiene zuverlässig und problemlos zu und bilden so die Basis für die aus den hochstehenden Lappen entstehende Pseudopapillen.

* man den Patienten anweist, die Wunde für ca. eine Woche völlig in Ruhe zu lassen und erst nach der Nahtentfernung zunächst vorsichtig und dann mit zunehmender Schmerzfreiheit immer gründlicher und fester von vestibulär nach palatinal (und umgekehrt, also von Rot nach zukünftig Weiß) zu bürsten, damit sich die Schleimhaut ganz fest und entzündungsfrei an das Implantat und den Gingiva-Former anlegt. Im Idealfall optimaler Mitarbeit des Patienten hat man ein Ergebnis, bei dem man Schwierigkeiten hat, die Situation abzuformen, weil man auf keinen Fall exzidieren möchte, um einen Faden legen zu können oder die Hilfsteile für die Abdrucknahme zu positionieren, weil die Schleimhaut ausgeprochen starff anliegt

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