An diesem Fall sieht man besonders gut, was Knirschen/Pressen in einem nicht Parodontitis-resistenten Gebiss in Kombination mit Gleithindernissen anrichten kann:

Es handelt sich um eine selbstständig tätige, sehr ehrgeizige, ca. 30-jährige Patientin. Links oben Lockerungsgrade L=0-1, Front L=1, rechter Schneidezahn L=2. Leichtes, nicht schmerzhaftes Gelenkknacken. Wenig druckdolente Muskulatur bei stark gesteigertem Grundtonus.

Man kann sogar aus dem Röntgenbild sehen, wie Sie knirscht/presst.

Auffächerung der Front mit Auswanderung des 12 (vital, 2 mm verlängert), über den geführt wird (mangelhafte Eckzahnführung), massiver Einbruch an 16 (Balance- u. Frühkontakt auf Goldinlay), im Gegenkiefer (besserer Knochen im UK) nur beginnender Einbruch, rechts oben außer an 16 sonst praktisch kein, rechts unten kein pathologischerBefund, links oben ausgeprägter Knochenabbau, im Gegenkiefer massiver Einbruch bei 46 (wahrscheinlich Zustand nach Kombination aus Gangrän und sekundärer Parodontitis), außerdem Zahnhalsfüllungen bei ausbrechenden Zahnhälse (Klick!).

Der Erfahrene kann allein aus dem vorliegenden OPT noch wesentlich mehr Informationen herauslesen:

An dem unterschiedlichen Knochenbefund in den einzelnen Quadranten kann man erkennen, dass die Patientin von rechts außen in die Occlusion einfliegt, auf die rechte Zahnreihe presst und dann die Interkuspidation nach links vorne wieder verlässt. Genau so, wie man sich eine massive Kaubewegung vorstellen kann!

Dass wir hier nicht phantasieren, sieht man eindeutig am klinischen Befund.

Sie putzte durchschnittlich, benutzte keine Interdentalbürstchen, was bei einem solchen Befund eine conditio sine qua non ist. Es kommt beim Melken nur Pus in den tiefen Taschen, so dass eine therapieresistente Parodontistis mit grosser Wahrscheinlichkeit ausscheidet.

Anamnestisch gibt sie an, vor 5 Jahren erfolglos kurrettiert worden zu sein, wobei sie nie etwas von Interdentalbürstchen gehört hat. Von einer Aufbissschiene hatte sie nie etwas gehört.. Als es dann nicht besser wurde, habe man ihr gesagt, dass Amalgam sei Schuld und Inlays angefertigt, was die Sache aber nicht verbessert, sondern eher verschlechtert habe..

Jetzt hat sie sich (Begründet durch Angst, den 12 zu verlieren) insgesamt 4 Meinungen eingeholt, eine davon zufällig von uns. Ergebnis:

Die anderen 3 Kollegen schlugen die Hände über dem Kopf zusammen ob des katastrophalen Befundes. Alle prohezeiten den Verlust vieler Zähne innerhalb der nächsten 5 Jahre, wenn man nicht sofort und ganz massiv intervenieren würde. Alle wollten offen kurrettieren (sie ist gesetzlich versichert) und großzügig augmentieren. Alle hielten den 12 für nicht haltbar (Brücke, Implantat). Keiner hat mit ihr über den logischen Ablauf innerhalb ihrer Erkrankung gesprochen.

Wir habe zunächst den 12 deutlich gekürzt (was bei Damen sofort Vertrauen schafft, da es gleich viel besser aussieht!) und zumindest aus dem Schlussbiss-Kontakt geschliffen (um den Lateralkontakt vom 12 völlig zu entfernen, muss man den Eckzahn aufbauen, sonst sieht es gleich wieder viel weniger hübsch aus!). Bei gelockerten Front-Zähnen muss man diese bei der Occlusionsprüfung zunächst immer manuell ein wenig nach innen drücken, sonst entgehen einem die Kontakte leicht, da der Zahn ja ausweicht. Aufgrund des eindeutigen Rö-Befundes haben wir einen Abdruck für eine Schiene gemacht und die Patientin im Rahmen der PAR-Vorbehandlung im Gebrauch des Interdentalbürstchens unterwiesen. Anschließend 15-Minuten-Gespräch über die Schwierigkeiten im Leben an sich und die große Weisheit des Volksmundes.

Beim 2. Termin nach einer Woche (2. PAR-Vorbehandlung) ist der 12 deutlich gefestigt (L=1), alle anderen Zähne L=0. 12, 16/46, 26/36 mussten noch weiter eingeschliffen werden, was typisch ist, da sie sich initial gerne noch ein wenig verlängern (großer Druck). 12 hatte jetzt aber nur noch Schlussbisskontakt, wenn man ihn deutlich nach innen drückt. Aufgrund des Schleimhautbefundes nach nur einer Vorbehandlung und einwöchigem sorgfältigen Putzen kann man jetzt schon sagen, dass es sich keinesfalls um eine therapieresistente Parodontitis handelt. Die Schiene wurde eingegliedert und adjustiert.

Dann noch ein Gespräch. Ihr ist inzwischen schon aufgefallen, dass sie die Zähne praktisch immer aufeinander hat.

Das ist ein typisches Ergebnis eines erfolgreichen Gesprächs. Es handelt sich schließlich um einen unbewussten Spannungsabbau über die Kaumuskulatur. Wenn Sie die Patienten direkt fragen, ob Sie Pressen, werden die allermeisten selbstverständlich „Nein“ sagen. Wenn Sie aber an den Zähnen bereits gesehen haben, dass das der Fall ist, und daher das Gespräch anders aufbauen, indem Sie zunächst erst einmal über physiologische und unphysiologische Zahnkontakte sprechen und den offensichtlichen Missbrauch anhand der bildhaften Sprache des Volksmundes verständlich machen, werden Sie die Aufmerksamkeit des Patienten leicht erregen und ihn zur Mitarbeit motivieren können.

Den Mechanismus des unbewussten Spannungsabbaus muss man erst einmal bewusst machen, indem man die Patienten auffordert, sich selbst zu beobachten, d.h. in allen möglichen und unmöglichen Lebenssituationen darauf zu achten, was sie gerade mit ihren Zähne treiben. Sie werden überrascht sein, wie viele Patienten Ihnen anschließend davon berichten, dass sie sich bei unphysiologischen Zahnkontakten erwischen. Dieses „Bewusstmachen“ ist schon einmal die halbe Miete, weil es die Bereitschaft, eine Schiene zu tragen, stark steigert.

Ich denke, dass es keinerlei Problem ist, dieser Patientin mit sehr geringem Aufwand alle ihre Zähne (etwas fraglich ist auf lange Sicht vielleicht der 12, der extrem geschädigt ist, und der WF-36 , da man nicht so genau sagen kann, was da abgelaufen ist, positiv ist aber der völlig erhaltene Knochen distal) sehr, sehr langfristig zu erhalten, wenn sie einsieht, dass sie tun muss, was man ihr sagt.

Augmentative Massnahmen sind in diesem Stadium völlig obsolet und werden sicher als Misserfolg enden, wenn man die Ursache (Knirschen/Pressen) nicht in den Griff bekommt und beseitigt. Ich denke, dass sie auch unnötig bleiben werden, wenn Interdentalbürstchen regelmäßig benutzt werden.

Einmal gründlich sauber machen und Fehlkontakte entfernen, dafür sorgen, dass es auch sauber bleibt, und mit Bewusstmachen und Schienentherapie den Missbrauch unterbinden oder zumindest die einwirkenden Kräfte deutlich redizieren. So einfach ist es meistens mit der sogenannten „Manager-Parodontitis“, von der zunehmend auch Frauen betroffen sind.

„Karma“ sagt der Buddhist in einem solchen Fall, „es bleibt eben nichts ohne Folgen“. Hier handelt es sich um nichts anderes als die körperlich sichtbaren negativen Folgen der die Emanzipation. Nichts desto trotz denken wir, dass man als geprügelte Ehefrau mit 5 oder mehr Kindern auch leicht eine solche Symptomatik entwickeln kann. Es ist ziemlich egal, durch was man sich „durchbeißen“ oder wem man „die Zähne zeigen“ oder „welche Probleme man durchkauen muss“, wenn man es nicht mehr „an den Zähnen haben kann“.

Wenn Sie dann noch mal so zwischendurch die Lücken mit einfachen Kunststofffüllungen verschließen bzw. deutlich verkleinern, haben Sie eine überzeugte, treue Patientin gewonnen, die brav das tun wird, was Sie ihnen sagen. Frauen sind eben wirklich die deutlich einfacheren Patienten (Klick!)