Früher, als man noch nicht über so viel Erfahrung mit der Haltbarkeit und Belastungsfähigkeit von Implantaten verfügte, hat man häufig sehr viel mehr Implantate gesetzt als für die angestrebte prothetische Versorgung notwendig waren. Einen unter diesem Blickwinkel extremem, zum Glück aber inzwischen anerkannt überholten Ansatz stellt das veraltete Konzept der sogenannten „tooth by tooth-Implantologie“ da..

Heute wissen wir, dass gut und knöchern eingeheilte Implantate aufgrund von Ankylose deutlich fester im Knochen verankert sind als eigene Zähne. So wird ein Periotest-Wert von – 8 bis + 9 klinisch als Lockerungsgrad 0 bewertet. Persönlich haben wir einen in gleicher Höhe und Richtung gemessenen Periotest-Wert mit eindeutig negativem Vorzeichen erst ein einziges Mal als Ausnahme an einem natürlichen Zahn gefunden, der seit ewigen Zeiten mit dem Verdacht auf Ankylose wurzelgefüllt war. Ein natürlicher, vitaler Zahn, der einen Periotest-Wert von + 4 aufweist, imponiert klinisch bereits als „knallfest“. Deutlich negative Periotest-Werte im Bereich – 3 bis – 6 findet man regelmäßig nur bei unauffällig eingeheilten Implantaten.

Aufgrund dieser eindeutigen Befunde geht die Entwicklung in der modernen, patientenorientierten Implantologie glücklicherweise mehr und mehr in die richtige Richtung, Implantate heute genau so zur Eingliederung von fest zementierten Zahnersatz zu verwenden wie früher eigene Zähne. Diese Entwicklung ist ja auch logisch, da man ja auf der einen Seite schlecht behaupten kann, Implantate seien besser als eigene Zähne, andererseits jedoch mehr Implantate setzt, als für eine festsitzende prothetische Versorgung auf eigenen, nicht einmal wurzelbehandelten Zähnen erforderlich wäre.

OPT bei Zustand unmittelbar nach provisorischer Eingliederung einer fertig verblendeten, gleitmittelbeschickten (Temporan) dreizehngliedrigen Brücke auf 5 natürlichen Zähnen und 2 Implantaten im März 2004 vor dem Probetragen für mindestens eine Stunde, um den natürlichen Zähnen die Gelegenheit zu geben, sich den auftretenden Spannungen entsprechend auszurichten, damit es beim Zementieren leichter und schneller geht als bei der Einprobe. Der hier sichtbare minimale Spalt im Bereich der Krone Implantat 23/24 war nach Probetragen und Zementieren mit einer spitzen Sonde nicht mehr tastbar. Ausgesprochen akzeptabel ist die dargestellte Situation ja schon so. Beachten Sie den relativ großen augmentierten Bereich mesial Implantat regio 23/24 (Cerasorb, ca. 6 Monate post) und die breite, solide Verblockung. Dass es sich bei dem Patienten um einen Bruxer handelt, sieht man sehr schön an den vertikalen Einbrüchen des Brückenpfeilers 44, der eindeutig überlastet ist, obwohl die Brücke zum Ersatz von 43 von 3 Zähnen getragen wird. Solche eindeutigen Zeichen für schlechte Gewohnheiten darf man nicht übersehen, wenn man eine solche Oberkieferversorgung eingliedert, weil man sonst möglicherweise versäumt, den Patienten sehr sorgfältig und eindringlich darüber aufzuklären, dass er für den Rest seines Lebens nachts eine Aufbisschiene im Oberkiefer tragen muss. Wir planen solche Arbeiten nur, wenn wir überzeugt sind, dass der Patient die Problematik verstanden hat und sich auch entsprechend verhalten wird (Klick!).

Diesen Patienten hätten wir früher mit einer herausnehmbaren, teleskopierenden Prothese versorgen müssen. Heute können wir einen solchen Fall durch Pfeilervermehrung mit nur zwei Implantaten in den beiden strategisch bedeutsamen Positionen festsitzend versorgen. Dabei helfen unsere Kenntnisse bei der langfristig voraussagbar erfolgreichen Beherrschung einfacher Infektionskrankheiten (siehe Rationale Endodontie) vormals schwer erkrankte, eigene Zähne langfristig voraussagbar zu erhalten, was in der Folge sehr zuverlässig zu schöneren Fronten bei der weniger Implantate und letztlich dazu führt, dass wir schönere Arbeiten kostengünstiger anbieten können, was wiederum zur Folge hat, dass sich mehr Patienten zu einer solchen festsitzenden Versorgung entschließen können, was nicht schlecht fürs Geschäft ist. Patienten wie dieser kommen ja nicht selten mit Kostenvoranschlägen für festsitzende Versorgungen auf 8 und mehr Implantaten in der Größenordnung von 30 bis 40.000,-€, wenn’s denn reicht.

Die Pfeile auf dem Modell zeigen die vom Techniker markierten Stellen an, die vor der Gerüsteinprobe radiert werden müssen. Solche Arbeiten sind in ihrer Schwierigkeit nicht zu unterschätzen. Die natürlichen Zähne müssen einerseits so stark beschliffen werden, dass eine gemeinsame Einschubrichtung überhaupt möglich ist, andererseits dürfen keine Tipi-Zelte dabei herauskommen, weil man Friktion braucht. Je mehr Friktion vorhanden ist, desto geringer ist die Gefahr des Abzementierens. Dass eine solche Arbeit aus dem gleichen Grund bei der Einprobe im Mund nicht mal einen Hauch schaukeln darf, versteht sich von selbst. Eine zusätzliche, nicht zu unterschätzende Schwierigkeit entsteht durch die vollständige Ankylose der Implantate, die im Gegensatz zu den natürlichen Pfeilern überhaupt kein Spiel aufweisen und deren Aufbauten selbst nur wenig Spielraum zum korrigierenden Radieren lassen.

Das Gerüst probieren wir aus diesem Grunde im Mund ohne Gleitmittel ein, weil es absolut notwendig ist, dass es leicht, mit wenig Druck und völlig spannungsfrei rein und raus geht. Wenn man schon Gleitmittel oder starken Druck braucht, um das Gerüst einzugliedern, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass man bei der Eingliederung der verblendeten Keramikbrücke mit ganz erheblichen Schwierigkeiten und insbesondere Keramikabplatzungen rechnen muss, weil man auf die fertige Arbeit im Gegensatz zum Gerüst nur sehr wenig Druck sehr gefühlvoll ausüben darf, wenn man nicht mit dem Hintern das umstoßen will, was der Techniker mühsam mit den Händen aufgebaut hat.

Vor der Einprobe im Mund empfiehlt es sich, die Arbeit ein paar mal auf dem Modell ein- und auszugliedern, um ein ganz sicheres Gefühl für die bei jeder großen Arbeit einzigartige Einschubrichtung zu bekommen Die fertig verblendete Arbeit beschicken wir vor der Einprobe im Mund mit Gleitmittel (Temporan). Jetzt wird es wirklich ernst, weil die Brücke durch die Keramikverblendung sehr starr ist und auf jetzt auf Implantaten eingegliedert werden muss, die im Gegensatz zu den eigenen Zähnen nicht einmal einen Hauch resilient sind. Wenn es Schwierigkeiten gibt (die gibt es eigentlich immer, mal mehr , mal weniger ausgeprägt), die sich meistens in der Weise manifestieren, dass die Brücke ab einem bestimmten Punkt bei vorsichtigem Druck nicht mehr „weiter runter“ gehen will, man sich jedoch aus Angst vor Abplatzungen nicht traut, fester zu drücken, empfiehlt sich zunächst alle Implantataufbauten wieder zu entfernen und erst einmal zu überprüfen, ob die Brücke leicht und spannungsfrei (radieren!) auf den natürlichen Pfeilern einzugliedern ist. Anschließend schraubt man den Ersten Pfosten ein, sorgt dafür, dass die Brücke einzugliedern ist, und dann den zweiten. Wenn man die Arbeit dann glücklich zum ersten Mal eingegliedert hat und die Okklusion einigermaßen stimmt, lässt man sie den Patienten mindestens 1 Stunde zur Probe tragen. Die natürlichen Pfeiler richten sich relativ schnell entsprechend der Spannung aus, so dass man überrascht ist, wie (relativ) leicht die Brücke dann auszugliedern ist. Zum Glück. Denn beim anschließenden Zementieren hat man nicht sehr viel Zeit zum Rumprobieren. Da muss es flutschen. Dass der (Harvard-) Zement, die Flüssigkeit und die Glasplatte aus dem Kühlschrank kommen und fraktioniert angerührt wird versteht sich von selbst. Auf den natürlichen Pfeilern zementieren wir mit Harvard, auf den Implantaten mit Ketac-Zem.

Ja, Sie haben Recht! Große Zähne! Genau, wir ärgern uns auch, dass wir vergessen haben, ein Vorher-Bild aufzunehmen! Aber der Platz war nun einmal da und musste mit Zähnen ausgefüllt werden, und der Patient hatte mit Sicherheit schon von Natur aus sehr große Zähne. Er war in jedem Falle von dem Ergebnis ausgesprochen angenehm überrascht. Und mal ganz ehrlich, wenn er nicht lacht wie ein Pferd, sondern entspannt lächelt, sieht das doch astrein aus. Stellen Sie sich lieber einmal vor, wie das aussehen würde, wenn wir ihm seine restlichen Frontzähne nicht erhalten hätten, und es zu einer rein implantatgetragenen, festsitzenden Versorgung gekommen wäre.

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