Schon bei Füllungsmaterialien halten wir es für ausgesprochen problematisch, zu denjenigen zu wechseln, die gerade am lautesten angepriesen werden, ohne ihre angebliche Überlegenheit oder zumindest Gleichwertigkeit mit den klinisch in hoher Stückzahl bewährten in umfangreichen klinischen Studien vor ihrer Einführung in die Praxis unter Beweis gestellt zu haben. Im Falle der nahezu monatlich neu auf den Markt drängenden Implantatsysteme halten wir dies nachgerade für fahrlässig. Es gibt inzwischen profilierte Kollegen, die in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund die Verwendung des Begriffs „Feldversuche“ oder gar „Menschenversuche“ nicht scheuen.

Diesen Artikel des Kollegen Wolfgang Kirchhoff aus Marburg sollte jeder/e gelesen haben, ob er/sie nun selbst implantiert oder aber zur Implantation überweist.

Die Periimplantitis entwickelt sich mit der stark ansteigenden Zahl von Implantationen zu einem ernsthaften Problem. Dies nicht nur, aber ganz besonders in augmentierten Fällen. Vor dem Hintergrund, dass sie, wenn es einmal soweit gekommen ist, so ausgesprochen schwierig und mit nur schwer voraussagbarem Erfolg zu therapieren ist, sprechen manche Kollegen in diesem Zusammenhang bereits von einem regelrechten „Periimplantitis-Tsunami“, der auf Implantologen und Patienten zurollt.

Irgendwann hört man auf zu zählen. Aber wenn man seit 20 Jahren implantiert, kommen selbst dann recht erkleckliche Zahlen zusammen, wenn man ausgesprochen sparsam mit Implantaten umgeht und beispielsweise nicht mehr inseriert, als an natürlichen Pfeilern für eine festsitzende Versorgung notwendig wären. Man kann ja den Patienten nicht auf der einen Seite erzählen, Implantate seien die besseren Pfeiler, auf der anderen Seite aber die Strategie einer Zahn-für-Zahn-Hurrah-Implantologie verfolgen.

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, und wir wollen auch keineswegs behaupten, dass wir noch nie einen Fall von Periimplantitis gehabt haben. Die Zahl ist aber dermaßen überschaubar, dass wir schon sagen können, dass das Problem in unserem Patientengut so gut wie nicht existiert. Dies, obwohl wir die Patienten vor der Implantation nicht einmal fragen, ob sie rauchen. Ob man guten Gewissens implantieren kann, sieht man ja in aller Regel daran, wie gut oder schlecht durchblutet und wie gesund oder ungesund die Schleimhaut imponiert.

Wir führen die praktische Abwesenheit der Periimplantitis in unserem Patientengut auf vier wesentliche Gründe zurück:

  • Wir haben uns der neuerdings lautstark verbreiteten Meinung, der Prothetiker würde den Implantationsort bestimmen und der Implanteur müsse dann eben augmentieren, wenn es nicht anders geht, nie anschließen können. Wir implantieren dort, wo wir nach dem Aufklappen den besten und breitesten Knochen vorfinden, wenn wir dadurch eine Augmentation vermeiden können, wenn es sich aus prothetischer Sicht nicht um eine völlig abwegige Position handelt. Die anschließende prothetische Versorgung betreffend verlassen wir uns auf die zahntechnische Kunst des Meisters.
  • Wir wählen immer das dünnere Implantat, wenn wir dadurch eine Augmentation vermeiden können. Die dadurch verminderte Bruchfestigkeit gleichen wir über eine großzügige Verblockung bei der prothetischen Versorgung aus.
  • Wir denken nach wie vor, dass das wesentliche Problem der Entstehung einer Periimplantitis in freiliegenden rauen Anteilen des Implantats begründet ist, auch wenn die Entwicklung im Implantatdesign nachgerade in die gegensätzliche Richtung zu gehen scheint. Deshalb präparieren wir den Implantat-Stollen beispielsweise 12mm lang, inserieren aber nur ein 10 mm langes Implantat, das wir dafür jedoch vollständig versenken, also auch seinen polierten Anteil. Bei 10 mm Knochenangebot, inserieren wir analog ein 8mm-Implantat. Irgendwo meinen wir auch einmal eine Studie mit der Aussage gelesen zu haben, dass die Periimplantitis bei vollständig polierten Implantaten weniger häufig auftritt als bei rauen. Wir denken, dass wir durch unser Vorgehen die jeweiligen Vorteile von rauen und glatten Implantaten ideal kombinieren. Zumindest wird so ein nie auszuschließender, leichter Knochenabbau unmittelbar im Anschluss an die Implantation in keinem Falle zum Freiliegen rauer Implantatanteile führen.
  • Außer in ungewöhnlich hartem Knochen präparieren wir den Implantatstollen deutlich unterdimensioniert. Auch das Gewinde schneiden wir nicht über die ganze Länge, sondern maximal 1 Windung über die Kompakta hinaus, so dass das Implantat gerade fasst. Dann schrauben wir das Implantat manuell mit Hilfe einer Ratsche ein und erreichen auf diese Weise gleichzeitig ausgezeichneten Kraft- und Formschluss. Im Oberkiefer fräsen wir – bis auf die Pilotfräsung zur Längenfestlegung- häufig genug gar nicht, sonder arbeiten fast ausschließlich mit Osteotomen, wobei wir den Stollenquerschnitt noch einmal deutlich geringer dimensionieren als im Unterkiefer. Im Oberkiefer schneiden wir in der Regel (fast) kein Gewinde vor.