Leider mussten wir diese Seite abändern. Hier die neue Version. Wir hatten Ihnen diesen lehrreichen Fall vorher mit schönen Bildern gezeigt. Wir waren dabei auf Fremdbilder angewiesen, da wir selbst in der Folge der indikationsgerechten Behandlung von Abszessen zum Glück solche Fälle nicht haben. Leider war ein besonders lieber Kollege aus welchem Grunde auch immer ausgesprochen daran interessiert, dass wir diese Bilder nicht zeigen, so dass sich nicht verkneifen konnte, den/die international renommierte/n Endodontie-Sezialistin/en und Referentin/en sogleich darauf hinzuweisen, dass wir Ihre/seine Bilder verwenden. Diese/r hat uns dann unmittelbar aufgefordert, sie zu entfernen. Natürlich ist es nicht korrekt, Bilder ohne Erlaubnis zu veröffentlichen. Wenn man also erwischt wird, muss man sie unbedingt sofort entfernen. Wir dachten, wir könnten im Interesse der Fortbildung ausnahmsweise einmal auf eine Erlaubnis verzichten. Und, mal ehrlich, wer kommt denn schon auf so etwas.

Weil wir also davon ausgingen, dass wir die Erlaubnis nicht bekommen würden, haben wir in diesem Falle ausnahmsweise erst gar nicht gefragt, nichts desto trotz aber sehr gewissenhaft alle Hinweise darauf entfernt, von wem die Bilder, die ja im Internet bereits veröffentlicht sind, stammen.

Wir sind jedoch zuversichtlich, dass jede Kollegin und jeder Kollege sich die Bilder leicht dazu denken kann. Einen dicken Abszess hat ja schon jeder gesehen.

Wenn man sich für Endodontie interessiert und sich viel im Internet und dort insbesondere auf zahnärztlichen Listen umschaut, landet man irgendwann auch bei „ROOTS“. Hier ist die „crème de la crème“ der im Internet aktiven Endodontologen versammelt, darunter sehr viele amerikanische und europäische Spezialisten. Roots versteht sich gleichzeitig als der Olymp und das höchste Gericht in der Endodontie.

Bei meinem kurzen, durch unpersönlichen Rausschmiss unfreiwillig schnell beendeten Gastspiel auf dieser mailing-Liste konnte ich feststellen, wie sehr Spezialisierung doch gleichzeitig die Gefahr von Einschränkung beinhaltet. Die „Rooters“, wie sie sich genauso liebevoll wie stolz untereinander nennen, sind in solch einem Maße über jegliche Kritik an ihren Behandlungskonzepten erhaben, dass sie sich nicht nur weigern, sich mit logischen und wissenschaftlich gut begründeten Argumenten auseinander zu setzen, sie nehmen neue wissenschaftliche Erkenntnisse in der Pathogenese der apikalen Ostitis, die nicht in ihr mechanisch geprägtes Weltbild passen, vielmehr einfach nicht zur Kenntnis. Sie sind darüber hinaus in einem Ausmaß verliebt in ihre Technik und den richtigen „shape“, wie er in den gezeigten Röntgenbildern ihrer Fälle zum Ausdruck kommt, dass sie die medizinische Lehre außerhalb ihrer (ausgezeichneten) Bilder verdrängen und sich der Wahrnehmung der medizinischen Realität konsequent verweigern. Neidlos anerkennen muss man allerdings, dass die mechanischen Fertigkeiten außerordentlich weit entwickelt und über jede Kritik erhaben sind und bis zum Excess ausgereizt werden.

Aber „cui bono“, wem nützt die mechanische Perfektion, fragt man sich, wenn dabei basismedizinische Gesetze mit dem Risiko nicht nur des Zahnverlustes sträflich missachtet werden?

Dass eine apikale Ostitis mit einem „one visit treatment“ (Aufbereiten, Desinfizieren und definitives Abfüllen in einer Sitzung) in der erdrückenden Mehrzahl der Fälle nicht erfolgreich auszuheilen ist, pfeifen die Spatzen schon so lange von den Dächern, dass man eigentlich davon ausgehen sollte, dass das auch im „endodontischen Olymp“ allgemeiner Wissensstand ist. Weit gefehlt. Solange nur der „shape“ in der bildlichen Darstellung den mechanisch hoch entwickelten Endodontisten verrät, treibt eine nicht indikationsgerechte Therapie niemanden auf die Barrikaden. Man kann sich vielmehr des einhelligen Applauses sicher sein, auch wenn es sich um einen Fall mit ausgeprägter apikaler Ostitis handelt, der entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem „one visit treatment“ behandelt wurde und in der Folge nicht die kleinste Abheilungstendenz zeigt.

Regelrecht erschrocken bin ich über die Veröffentlichung des folgenden Falles mit der Überschrift „Inter-apointment Flare up“ (Exazerbation zwischen zwei Behandlungsterminen), der von einer/m in Fachkreisen international bekannten europäischen Spezialistin/en veröffentlicht und mit dermaßen viel Applaus ohne eine einzige kritische mail bedacht wurde, dass man davon ausgehen muss, dass die angewandte Therapie unter den „Rooters“ allgemein als lege artis angesehen wird.

Nicht nur in unseren Augen handelt sich jedoch eindeutig um einen krassen Kunstfehler.

Hier befand sich einst ein Bild von einem jungen Mann mit einer ordentlich dicken Backe im Bereich des Zahnes 46

Hier befand sich einst ein Röntgenbild eines 46 mit der Darstellung einer Fistel ausgehend von der leicht beherdeten distalen Wurzel des Zahnes 46, die mesiale Wurzel zeigte eine wesentlich ausgeprägtere Aufhellung ohne Fistel.

Des weiteren gab es eine klinische Situation zu sehen, die zeigte, dass sich reichlich Eiter aus dem trepanierten 46 entleerte.

Ein 23-jähriger Patient mit einer Fistel an 46 stellt sich mit Schmerzen und deutlicher Schwellung vor. In erster Sitzung werden 4 (!!) Wurzelkanäle aufbereitet, ausgiebig und ultraschallunterstützt mit 5% NaOCl und alternierend mit 17%igem EDTA gespült, mit Ca(OH)2 als desinfizierender Einlage versehen und primär verschlossen. Medikamentös werden lediglich nichtsteroide Antiphlogistica verordnet, und der Autor unterstreicht ausdrücklich und nicht ohne Stolz, dass keine Antibiotika verschrieben werden. Am Folgetag berichtet der Patient telefonisch, dass er nahezu beschwerdefrei ist.

Hier war einst ein Röntgenbild, dass Ca(OH)2 in beiden Wurzelkanälen des 46 zeigte. Hier war einst ein intraorales klinisches Bild, das zeigte, wie sich reichlich Eiter aus einem vestibulären Abszess regio 46 entleerte

Nach 5 Tagen sucht der Patient erneut die Praxis auf und präsentiert eine ausgedehnte fluktuierende Schwellung bukkal von 46, die inzidiert wird, worauf der Patient in Folge der Eiterdrainage unmittelbare Erleichterung verspürt. Wieder wird auf die Gabe von Antibiotika verzichtet, der Patient wird aber täglich nachuntersucht. Nach 2 Tagen ist der Patient schmerzfrei und die Schwellung ist verschwunden.

CompanyHier war einst ein Bild von einem abgefüllten 46 mit einem „amazing shape“

Es wird 3 Wochen abgewartet, um sicher zu gehen, das die vollständige Beschwerdefreiheit anhält, dann wird die Wurzelkanalbehandlung mit einerdefinitiven Wurzelfüllung mit Resilon und einem Kunststoffaufbau in Säure-Ätz-Technik abgeschlossen.

Klasse Bilder, ausgezeichnete Präsentation, welch ein „amazing shape“…… Nichtsdestotrotz wird exemplarisch deutlich, was David Figdor wohl meinte, als er in einem Editorial einer renomierten Fachzeitschrift schrieb, dass eines der wesentlichen Ursachen der schlechten Ergebnisse auch der Spezialisten bei der Behandlung der apikalen Ostitis unter anderem sei, dass Ätiologie und Pathogenese der komplizierten Endodontitis von den Endodontisten auch 100 Jahre nach ihrer umfassenden Beschreibung nicht nicht vollständig verstanden sind.

Eine kritische Würdigung dieses beispielhaft vorgestellten Falles liefert ein ganz anderes Ergebnis als das von den „Rooters“ mit anhaltendem Applaus bedachte.

Hier befand sich einst ein Röntgenbild eines 46 mit der Darstellung einer Fistel ausgehend von der leicht beherdeten distalen Wurzel des Zahnes 46, die mesiale Wurzel zeigte eine wesentlich ausgeprägtere Aufhellung ohne Fistel.

Des weiteren gab es eine klinische Situation zu sehen, die zeigte, dass sich reichlich Eiter aus dem trepanierten 46 entleerte.

Hier war einst ein Röntgenbild, dass Ca(OH)2 in beiden Wurzelkanälen des 46 zeigte.

Als der Patient sich mit Schmerzen und (erneuter) Schwellung vorstellt, hat er bereits eine Fistel, die – wie im linken Bild sehr schön dargestellt – von der distalen Wurzel des 46 ausgeht. Die Natur hat also bereits in einem ersten Selbstheilungsversuch dafür gesorgt, dass der in der apikalen Aufhellung der distalen Wurzel gebildete Eiter drainiert wird. Da ein über eine Fistel drainierter purulenter Infekt in der Regel keine Schmerzen und schon gar keine ausgedehnte Schwellung verursacht, kann man also mit sehr guter Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es nicht das erste Mal ist, dass dieser Zahn Beschwerden gemacht hat, und dass es sich beim jetzigen Befund um Eiter handelt, der sich an der mesialen Wurzel bildet, in einem zweiten Selbstheilungsversuch seinen Weg nach außen sucht und zu der akuten Symptomatik geführt hat. Die sofortige Trepanation des verantwortlichen Zahnes ist die einzig richtige Therapie, um für Abfluss zu sorgen. „Ubi pus, ibi evacua“ heißt der entsprechende, ubiquitär gültige Lehrsatz der Heilkunde. Den Erfolg der Behandlungsmaßnahme zeigt sich entsprechend in der Entleerung von reichlich Eiter über die Trepanationsöffnung. Die Aufbereitung und Spülung der Wurzelkanäle nach einem klassischen Protokoll schließt sich richtigerweise unmittelbar an.

So weit, so gut, und bis hierhin richtig! Einen krassen Kunstfehler stellt es in unseren Augen allerdings allerdings der unmittelbare Verschluss der Wurzelkanäle mit Ca(OH)2 und der sofortige dichte Verschluss der Trepanantionsöffnung dar, wie er im rechten Bild zu sehen ist. Es ist eine völlig falsche, den medizinischen Basisgesetzen vollständig widersprechende Entscheidung, die einmal therapeutisch geschaffene Drainage über den Zahn durch einen dichten Verschluss unmittelbar wieder zu blockieren, ohne absolut sicher sein zu können, dass der Abszess vollständig entleert und komplett desinfiziert ist, was ja in diesem Stadium als unmöglich vorausgesetzt werden kann. Dies um so mehr als von dem eingelegten Desinfektionsmittel Ca(OH)2 allgemein bekannt ist, dass eine Vielzahl der beteiligten Erreger auf seine Anwendung nicht sensibel reagieren.

Der Therapeut gibt mit dieser falschen Therapieentscheidung das Handlungskonzept für einen erfolgreichen Abschluss seiner Bemühungen aus der zahnärztlichen Hand und überlässt es allein der Natur des jeweiligen Patienten, seine Maßnahmen zu einem guten oder schlechten Ende zu führen. Die mit einigem Stolz vorgebrachte Einlassung, man habe kein Antibiotikum gegeben, unterstreicht die falsche Einschätzung der Gefährlichkeit der Behandlungssituation. Selbstverständlich kann ein solcher Fall ohne Antibiotikagabe erfolgreich behandelt werden. Dies um so mehr als nach unserer Erfahrung apikale Ostitiden, bei denen sich reichlich Eiter drainieren lässt, ausgesprochen gut auszuheilen sind. Ein solches Bestreben setzt allerdings die indikationsgerechte Therapie voraus. Wenn man aber einen Abszess schon entgegen jeglicher ärztlicher Lehre, Erfahrung und Tradition primär dicht verschließt, dann ist die Gabe eine Antibiotikums unabdingbar , um den Körper in seinen Bemühungen um die Selbstheilung zumindest zu unterstützen und Schlimmeres zu verhindern.

Hier war einst ein intraorales klinisches Bild, das zeigte, wie sich reichlich Eiter aus einem vestibulären Abszess regio 46 entleerte Hier war einst ein Bild von einem abgefüllten 46 mit einem „amazing shape“

Dass der Patient unter der eingeschlagenen Therapie zunächst beschwerdefrei wird und dass es 5 Tage dauert, ehe es zur Exazerbation kommt, überrascht in der Folge nicht. Die distale Wurzel ist bereits über die Fistel drainiert. Die (unvollständige) Drainage der eitrigen Entzündung an der mesialen Wurze über die Trepanationsöffnung in den Mund sorgt jedoch nur für kurzfristige Entlastung. Dass die verantwortlichen Keime glücklicherweise sensibel auf Ca(OH)2 reagieren zeigt sich am schnellen Abheilen der Fistel an der distalen Wurzel und der guten Abheilungstendenz der apikalen Aufhellung. Es muss sich also durch die Neubildung von Eiternachschub apikal der mesialen Wurzel erst wieder genug Druck aufbauen, der nach Entlastung sucht, da die therapeutisch geschaffene Drainage über die Trepanationsöffnung in Richtung Mund vom Therapeuten sofort wieder verschlossen wurde. Der sofortige Verschluss führt zu einem erneuten akuten Krankheitsbild, zwingt den Körper zu dem nunmehr dritten Versuch der Selbstheilung und den Behandler in der Folge zu einer erneuten, bei indikationsgerechter Therapie genau so überflüssigen wie vermeidbaren Intervention.

Dass die Geschichte dennoch zu einem gute Ende kommt, liegt nicht an der angewandten Therapie, sondern beruht allein auf dreifachem Glück und den Selbstheilungskräften der Natur. Denn wenn die Keime nicht so harmlos sind und so sensible auf Ca(OH)2 reagieren, der Patient nicht so jung ist und über eine nicht so ausgezeichnete Immunantwort verfügt und der Abszess seinen Durchbruchsweg nicht ins Vestibulum, wie es glücklicherweise hier der Fall ist, sondern in die tiefen Logen sucht und findet, kann sich aus dieser einfachen gangränösen Endodontitis ein lebensbedrohlicher Zustand entwickeln. Die unbegründete Angst des Therapeuten vor einer erneuten Infektion des Kanalsystem durch die orale Homeflora des Patienten, wie sie sich in dem primären Verschluss eines dentalen Abszesses manifestiert, führt in diesem Sinne zu einer Exazerbation belassener gangränöser Keime unter Inkaufnahme des Risikos eines möglichen fatalen Verlaufs.

Dass es sich wirklich um einen 46 mit 4 Kanälen handelt, soll hier nicht bestritten werden, auch wenn sich kein röntgenologischer Beleg dafür findet, und auch das klinische Bild des Verschlusses rechts eher vermuten lässt, dass es sich um einen typischen, sanduhrförmigen, distalen Kanal handelt, der wegen seines Isthmus bei rotierender statt feilender Aufbereitung gerne mit einer Doppelanlage verwechselt wird.