Auf den ersten Blick und unter wirtschaftlichem Druck gerät man in Versuchung auf diejenigen hereinzufallen, die über alle möglichen Medien ständig suggerieren, dass eine nicht medizinisch, sondern vielmehr wirtschaftlich gestellte Indikation eher geeignet ist, den wirtschaftlichen Erfolg des eigenen Handelns zu sichern. Sicher, einigen gelingt das offensichtlich vordergründig. Viele wirtschaftlich erfolgreiche Implantologen geben ein überzeugendes Beispiel.
Wirtschaftlich mindestens genau so erfolgreich wird aber derjenige sein, der sich um die richtige Indikationsstellung bemüht, da diese den medizinischen Erfolg garantiert. Der medizinische Erfolg sorgt für den Ruf. Der Ruf sorgt für eine hohe Patientenfrequenz. Eine hohe Patientenfrequenz versorgt mit ausreichend Arbeit. Ausreichend Arbeit ermöglicht die indikationsgerechte Behandlung losgelöst von wirtschaftlichen Überlegungen im besonderen Patientenfall. Die indikationsgerechte Behandlung verschafft die persönliche und berufliche Befriedigung. Die berufliche Befriedigung beugt dem Burn-Out-Syndrom vor und erhält die geistige und körperliche Gesundheit.
Kann es denn befriedigend und gesund sein, in einem Porsche durch die Gegend zu fahren, der durch den Ersatz von erhaltungswürdigen Zähnen durch Implantate bezahlt wurde?
Die Schwierigkeit bei der Suche nach der richtigen Indikationsstellung ist, dass sie ein Interesse an der Wahrheitsfindung voraussetzt.
Kunststofffüllungen sind ein schönes Beispiel für richtige und falsche Indikationsstellungen. Die Mehrkostenregelung hat dazu geführt, dass ihre Indikationsstellung ständig erweitert wurde. Galten Kunststofffüllungen noch vor wenigen Jahren im kaudrucktragenden Seitenzahnbereich als Pfusch, überschlagen sich die selbsternannten Gurus in ihren teuer zu bezahlenden Fortbildungen in einer immer weiter ausgedehnten Empfehlung. Plötzlich erscheinen Indikationsstellungen medizinisch korrekt, die früher eine Gussrestauration erfordert hätten, wenn man denn auf Amalgamfüllungen unbedingt verzichten zu meinen muss. Die Verbesserung der Qualität der verwendeten Materialien hält mit dieser stürmischen Entwicklung in keinem Fall Schritt.
Indikationsgerechte Kunststofffüllungen gehen relativ schnell und problemlos von der Hand und weisen so gut wie keine Komplikationen auf. Komplizierte Behandlungsabläufe, viel Aufwand und Zeit benötigen Kunststofffüllungen nur dann, wenn die Indikationsstellung überzogen und falsch gestellt wird. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sie zu groß und approximal zu weit offen sind (Schwierigkeiten mit dem Kontaktpunkt und der Matritze), und wenn die Mundhygiene nicht stimmt (übermäßige Blutung, Matritze nicht dicht, usw. ). Besonders schlimm ist es, wenn alles zusammen kommt. In der Folge kommt es zu klinischen Komplikationen. Eine falsche Indikationsstellung führt in diesem Sinne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sowohl für den Behandler (Handling, Missverhältnis zwischen Honorar und Aufwand) als auch für den Patienten (starke Verkürzung der Verweildauer, Frakturen, schlechte Kontaktpunkte, Wurzelbehandlungen, parodontale Probleme, usw.) zu großen Problemen, was in der Folge zu einem schlechten Ruf und der damit verminderten Patientenfrequenz führt.
Was die Liebe zur Wahrheit betrifft, so kann man sich selbst soviel belügen, wie man will. Problematisch wird es erst dann, wenn davon Dritte betroffen sind, was allerdings in der Arzt-Patienten-Beziehung regelmäßig der Fall ist. Die Mehrkostenregelung hat zur Ausweitung der Indikationsstellung über ein verträgliches Maß hinaus geführt, weil die Qualität der Materialien mit dieser Entwicklung nicht stand hält. Für den weniger wahrheitsliebenden Zahnarzt ist sie auf den ersten Blick attraktiv. Er führt die Schwierigkeiten im Handling und den damit verbundenen hohen Zeitaufwand als Argument ins Felde, solche nicht indikationsgerechten Kunststofffüllungen mit dem Honorar für ein Inlay zu berechnen. Um dem Patienten die Höhe dieses Honorars schmackhaft zu machen, macht er ihm weis, dass dieser Preis attraktiv ist, weil der Patient ja die Laborkosten für ein Inlay einspart. Verschweigen tut er dabei wissentlich, dass der Patient nur eine Füllung bekommt, die weit von einem Inlay entfernt ist und die in der Qualität und Verweildauer nicht einmal an eine durchschnittliche Amalgamfüllung heranreicht. Man kann so etwas auch einfach als die „Kunststoff-Lüge“ bezeichnen. Das mag von kurzfristigem Vorteil sein, auf Dauer ist es dem Ruf der Praxis mit Sicherheit nicht dienlich. Mit all den negativen Folgen, die sich daraus ergeben.
Der beruflichen Befriedigung und der persönlichen Gesundheit dient es in keinem Fall.