Wir hatten ja schon an anderer Stelle über die erfolgreiche Anwendung der Akupunktur bei extremem Würgereiz berichtet. Dieser Fall beleuchtet eventuelle Möglichkeiten der Diagnostik in einer schwierigen Situation.

Dieser Patient stellte sich mit starken, anfallsartigen Zahnschmerzen auf der rechten Seite vor, von denen er nachts geweckt wurde (übrigens eine gute Frage zur Abschätzung der Ernsthaftigkeit von Beschwerden), die aber nach einer Zeit wieder vergingen. Er konnte nicht angeben, ob sie vom Ober- oder Unterkiefer ausgingen.

Die klinische Untersuchung war völlig unauffällig, bis auf die wurzelgefüllten Zähne reagierten alle vital und nicht hypersensibel, insbesondere konnte auch durch den Kältereiz keine Schmerzattacke ausgelöst werden (differentialdiagnostisch ausgesprochen hilfreicher Befund), anamnestisch keine auffällige Reaktion auf Wärme, kein Zahn war klopfempfindlich. Über der im OPT sichtbaren großen Aufhellung an 15 (sieht auf dem OPT dramatischer aus als auf dem Zahnfilm) bei Zustand nach Resektion vor sehr langer Zeit vestibulär keine Druckdolenz, alle Zähne fest. Es fand sich ein lateraler Frühkontakt an 17, der eingeschliffen wurde.

Röntgenologisch bestand der Verdacht einer Exazerbation an 15, eine mögliche beginnende Pulpitis an 16 bei großer Kunststofffüllung oder an 17 wegen möglicher Sekundärkaries am mesialen Kronenrand (mit der Sonde nicht zu bestätigen)..

Da der ursächliche Zahn nicht zu eruieren war, haben wir dem Patienten mit Verdacht auf Bruxismus (Eckzahn rechts sehr weit denudiert) bei lateralem Fehlkontakt an 17 zunächst Schmerzmittel verordnet.

Am nächsten Tag kam er prompt wieder und berichtete, in der Nacht kaum geschlafen zu haben. Der zunächst anfallsartige Schmerz sei jetzt in einen sehr starken Dauerschmerz übergegangen, er sei sich jetzt sicher, dass ein Zahn im rechten Oberkiefer verantwortlich sei, so ginge es nicht weiter, wir müssten irgendwas unternehmen, um ihn von diesem Schmerz zu befreien.

Die erneute gründliche Untersuchung ergab keinen neuen Anhaltspunkt. Aufgefordert, mit dem Finger auf den Zahn zu zeigen, den er selber für verantwortlich hielt, zeigte er auf den resizierten 15.

Da eine spontane WSR ja im laufenden Praxisbetrieb (Donnerstag gegen Abend) nicht unbedingt einen Genuss darstellt, zumal wenn sie mit dem Risiko behaftet ist, auch noch den falschen Zahn zu behandeln, führte unsere neue Partnerin einen (nach unserer bisherigen Auffassung sicher frustranen) diagnostischen Versuch mittels Elektro-Akupunktur durch. Sie berichtete „Signale“ vom Zahn 15 und 14 zu erhalten, die sie auf die vorhandenen Wurzelfüllungen zurückführte, die stärksten Signale würden jedoch eindeutig vom 17 ausgehen.

Da wir weniger Vertrauen in diesen Befund hatten als in die Angaben des Patienten, haben wir zunächst in Regio 14/15 eingespritzt, um einmal zu sehen, ob die Schmerzen weggehen würden, um daran anschließend eine Schrödersche Lüftung im Bereich 15 durchzuführen, den Patienten dadurch erst einmal zu entlasten und von seinen Schmerzen zu befreien, um weitere Maßnahmen in Ruhe planen und durchführen zu können (Re-WSR? Ex?).

Die Schmerzen gingen nach Angaben des Patienten auch tatsächlich deutlich zurück (um etwa die Hälfte, wie er sich ausdrückte), sistierten aber nicht völlig. Die Überprüfung von 16 und 17 zum Ausschluss einer Anästhesie ergab eine unauffällige vitale Reaktion auf Kälte.

Wir hatten das Skalpell schon in der Hand als jemand auf die glorreiche Idee kam, vorsichtshalber einmal den 17 zu anästhesieren, woraufhin der Patient nach sehr kurzer Zeit völlig schmerzfrei war. Die Trepanation des Zahnes zeigte eine stark unter Druck stehende Pulpa. Nach VitE, WK und Med ist der Patient zu dem ihm für den nächsten Tag vorsichtshalber gegebenen Termin zur Schröderschen Lüftung nicht erschienen, so dass davon auszugehen ist, dass wir den richtigen Zahn behandelt haben.

Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, wir werden das in jedem Fall überprüfen und darüber berichten.