Die Patientin stellte sich vor, weil sie seit einiger Zeit das Gefühl hatte, dass ihr Zahnersatz im Oberkiefer nicht mehr so fest war, wie er das über lange Jahre gewesen war. Außerdem war ihr am Vortage beim Frühstück ein Stück Keramik in weichem Käse hängen geblieben.

Frische Keramikfraktur an 45 (Klick!).

Das kann natürlich Zufall und Pech sein. Immerhin Grund genug, sich die Arbeit einmal ganz genau anzuschauen.

Man tut den Patienten übrigens häufig Unrecht, wenn man sich ärgert, dass schon wieder einer daher kommt, der behauptet, er habe nur etwas „Ganz Weiches“ gegessen und plötzlich ein Stück Keramik im Mund gehabt. Natürlich gibt es solche, die Nüsse ohne Nussknacker aufmachen und nachher erzählen, sie hätten nur eine Suppe gegessen. Häufig wird es aber so sein, dass der Patient gepresst oder geknirscht hat, dabei ist die Keramik gesprungen, anschließend isst er etwas weiches, und das bereits abgebrochene Stückchen Keramik bleibt im Essen kleben.

Eigentlich ein recht zufriedenstellendes Ergebnis für 12 Jahre bei so wenigen Pfeilern und einem dermaßen desolaten Ausgangsbefund. Am Zahn 27 wurden übrigens nur 2 Kanäle gefunden, also Risiko! Man muss sich seiner Endodontie (Timbuktu-Methode) schon recht sicher sein, wenn man solch eine Situation festsitzend versorgen will. Sicher muss man sich außerdem sein, dass es sich nicht um eine therapieresistente Parodontitis handelt.

Am Zahn 15 meinen wir jedoch, jetzt Überlastungszeichen in Form eines verbreiterten PAR-Spaltes erkennen zu können. Dies bei Zustand nach WF, was das Zeichen sicherer macht.

Leider waren wir damals noch nicht so weit wie heute und haben den Patienten noch nicht das Versprechen abgenommen, lebenslang eine Schiene zu tragen, um den langfristigen Erhalt ihrer Versorgung zu sichern, weil wir uns sonst weigern würden, bei so wenigen, dazu noch schwachen Pfeilern festsitzend zu versorgen. Heute machen wir das mit Erfolg so.

Ich war damals schon nicht so recht überzeugt, dass man nichts verblocken dürfe, war aber noch so beeindruckt von der geltenden Lehrmeinung, dass ich als Kompromiss in Form von individuell gefrästen Geschieben Stressbraker eingebaut habe.

1995 war noch alles fest. Heute Lockerungsgrade (L=I-II). Wir haben das schon öfter gesehen. Diese Geschiebe leiern mit den Jahren durch das ständige Genackel aus, insbesondere dann, wenn die Leute anfangen zu pressen.

Die Patientin räumt auf Nachfragen ein, dass sie im Moment schon „Probleme“ habe, die sie „durchkauen“ müsse.

Um die Patienten über wichtige Dinge aufzuklären, ist eine intraorale Kamera übrigens ganz toll, man kann sie also auch sinnvoll nutzen. Wir konnten der Patientin so die Luxation der Geschiebe zeigen und sie beunruhigen, da sie von den Lockerungsgraden in der Form nicht soviel bemerkt hatte. Sie möchte nämlich einerseits keinen herausnehmbaren Zahnersatz, andererseits hat sie kein Geld für eine Implantatversorgung. Wir denken, jetzt hat sie verstanden, warum es geht und wird ihre Schiene konsequent tragen.

Wenn wir heute solch eine Arbeit riskieren (wenige, teilweise schwache Pfeiler, auf die sich die Gesamtkräfte verteilen,) klären wir die Patienten intensiv auf. Dazu gehört auch ein Gespräch über die Essensgewohnheiten. Wenn man den Patienten erklärt, dass dieselben Kräfte, die sich sonst in einem Kiefer auf bis zu 16 gesunde Zähne verteilen, bei ihnen jetzt von nur 8, teilweise wurzelbehandelten, also schwachen Pfeilern aufgenommen und verarbeitet werden, begreifen sie leicht, dass sie nicht mehr alles beißen können und fangen an ihre Versorgung zu schonen, um sie langfristig zu erhalten.

Nichts desto Trotz denken wir, dass diese Patientin wahrscheinlich nicht mehr alle Zähne im Mund hätte, wenn wir sie herausnehmbar mit Einzelteleskope versorgt hätten. Viel zu viel Genackel (Unterfütterung, Rein und Raus, usw.) an schwachen, einzeln stehenden Pfeilern.

Wir denken -wenn wir das OPT 2001 anschauen- dass diese Lockerungsgrade reversibel sind, wenn sie konsequent eine Schiene trägt. Wir haben ihr daher gesagt, das könne noch einmal 12 Jahre halten, wenn sie tue, was wir sagen, und kein Unfall passiert.

Geschiebe anfiniert und brunierend „verbolzt“ (Klick!).

Zur primären Stabilisierung haben wir Palavit G in die Geschiebe laufen lassen, um die Freiheitsgrade zu vermindern und sie zusätzlich niedrigtourig bruniert. Dadurch konnte der Lockerungsgrad zumindest auf L=0-1 in der Horizontalen reduziert werden. Wir werden sehen, was zukünftig passiert.

Nach nur einer Woche konsequenten Schienentragens sind die OK-Zähne, wie aufgrund des guten Röntgenbefundes nicht anders zu erwarten, deutlich fester. Die maximale Luxationsmöglichkeit der Stressgeschiebe sind deutlich reduziert (Klick!)

Das Tolle ist, dass die Patientin das jetzt selber merkt und begeistert darüber berichtet, dass sie sich jetzt immer öfter dabei erwischt, dass sie im Moment „mit zusammengebissenen Zähnen“ durch ihr Leben läuft. Man muss es ihr gar nicht mehr mit der Intraoralkamera demonstrieren.

Wir denken, dass wir jetzt auf einem guten Wege sind, dass sie noch einmal 12 Jahre Freude an ihrem festsitzenden Zahnersatz hat.